Kinder, ist das Reimen schwer!
Drastisches Deklamation-Couplet. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 379

(Der Vortragende tritt als Dichter mit langer Mähne auf, in der Hand Papier und Bleistifte. Die Worte zu der Musik werden mit großem Pathos bis zum Refrain der gesprochen als gesungen. Die Versenden sind absichtlich manchmal und rhythmische gehalten, um den Eindruck der Improvisation zu verstärken. Die im abweichenden Druck jeder zweiten Zeile beigefügten Zwischensätze werden ohne Musikbegleitung gesprochen.)

1.
Bin ein Dichter – 's geht mir miserabel –
hörte vieles von dem Preis vom Nabel
äh, Nobel – vom Nobelpreis
diesem Preis brauch' ich für meine Zwecke,
er soll rette mich aus meinem großen Dre –
äh, Drucke – aus meinem Drucke.
Aus des Alltags hässlichem Gerümpel
tret' ich deshalb in den Musentümpel,
äh, Tempel – nicht Tümpel, pfui, was sind das für Reime!
Wenn sich nicht die rechten Reime trafen,
gibt's beim dichten fürchterliche Strafen,
äh, Strophen – fürchterliche Strophen.
Schon Achilles reimte schwer in seinem Schmerze,
jeder kennt ja die Achillesverse,
äh, Verse – die Achillesferse.
Meine Verse sind so schön wie diese,
hören Sie nun meine Dichtkunst, meine miese,
äh, meine Muse – nicht miese –'s ist ja schrecklich schwer, dass Reimen!
Vorn ist's leicht, da klappt es allenthalben –
schwierig sind nur die zwei letzten Salben,
äh, Silben – nicht Salben.

Refrain:
Letzten Silben, bitte sehr!
Kinder, ist das Reimen schwer!

2.
's gibt Geschäftsleut' in Berlin, sehr klug und listig.
Ihre Herkunft ist oft äußerst mistig,
äh, mystisch – nicht mistig.
Hab'n Bekleidungsstoffe – feine Kluften,
mit Behörd'n komm'n sie zu Geschuften,
äh, Geschäften, nicht schuften – er spricht von Schuften –
Aufträge gibt's mehr als wie genug.
Manchem Stadtrat schenken sie 'n Betrug.
äh, Betrag – nicht Betrug.
Kleider, Menzel, Mann und Frau erhält se,
schießen aus die Erde wie die Pelze,
äh, Pilze – wer spricht von Pelzen!
Schenken alles nur aus Menschenliebe –
solche Leut' verdienen ihre Hiebe,
äh, Habe – nicht Hiebe.
Reisen viel, erhol'n sich von den Sorgen –
können ihre Kleider kaum noch borgen,
äh, bergen.
Geb'n Gesellschaft, ohne was zu pumpen –
abends Grenzen dann im Saal die Lumpen
äh, die Lampen – nicht die Lumpen.
Hab'n 'nen eignen Rennstall, reiten, fechten,
ja, so leb'n die Brüder, diese schlechten,
äh, diese schlichten – nicht die schlechten.

Refrain:
Diese schlichten, bitte sehr,
Kinder, ist das Reimen schwer!

3.
An sie Kinder heut' ,'s ist ein Vergnügen,
sind gewandt in allen Lebenslügen,
äh, Lagen – nicht Lügen.
Vater, Mutter hocken abends hinterm Ofen –
wo sind denn die jungen Leut Strophe – sie schwoofen,
äh, schweifen – –
Schweifen wissensdurstig bis zum Himmel –
abends gehn die Burschen auf den Bimmel,
äh, Bammel – nein, Bummel,
knicken dort die Herzen, die kaputten,
von den kleinen Mädchen, diesen Nutten,
äh, netten, diesen netten,
sag'n ihn'n manches süße Wort ins Öhrchen, –
Hochzeit kommt meist nach dem ersten Jöhrchen –
äh, Jährchen, nicht Jöhrchen.
Ja, so leben manche Kinder streng geregelt,
bald hab'n sie die Eltern überflegelt,
äh, überflügelt – nicht überflegelt.

Refrain:
Überflügelt, bitte sehr,
Kinder, ist das Reimen schwer!

4.
An den Frau'n will ich mein Herz befest'gen,
Schwarze lieb' ich weniger – die Blonden sind die Bestien,
äh, Besten – die Blonden sind die Beste.
Hab' mich gern in ihrer Gunst gesonnt,
denn man weiß, die Liebe, die macht blond,
äh, blind.
Eine tat jetzt 'nen Gelehrten kriegen,
nie hat sie geändert ihr Betrügen,
äh, Betragen – nicht Betrügen.
Oft weist sie auf seine Stirn nach vorn: –
„Männchen, ich bewundere dein großes Horn,“
äh, Hirn – nicht Horn.
Reist er mal, dann weint sie: „Ach, ich muss dich
missen jetzt – dein Fernsein Kind ich lustig.“
äh, lästig.
Schleicht die Dämm'rung dann durch alle Stuben,
denkt sie an den fernen Mann mit einem leisen Buben,
äh, Beben, mit leisem Beben – nicht mit einem leisen Buben,
und, kaum dass sie ruht in dem Gedämmer,
da umfängt sie schon ein süßer Schlemmer,
äh, Schlummer – nicht Schlemmer, das wäre ja schlimmer –

Refrain:
Süßer Schlummer, bitte sehr,
Kinder, ist das Reimen schwer!

5.
Röschen hieß 'ne Tänzerin, 'ne schöne,
wenn sie tanzte, guckt' ick immer uff die Beene,
äh, auf die Bühne – nicht auf die Beene.
Seh mein Röschen durch die Lüfte trudeln,
in der Loge saß ich wie auf Nudeln,
äh, auf Nadeln – –
einst wollt' ich besuchen meines Herzens Wonne,
da kommt meine Tante, schlank wie eine Tonne,
äh, Tanne – –
und da sie gerad übern Weg mir rannte,
fiel'n wir hin – nun saß ich in der Tante,
äh, in der Tunte – nicht doch, in der Tinte –
kam alsdann ganz aufgeregt zu meinem Röschen
und auch Röschen war ganz aus dem Höschen,
äh, aus dem Häuschen – nicht aus dem Höschen –

Refrain:
Aus dem Häuschen, bitte sehr,
Kinder, ist das Reimen schwer!

6.
In dem Reichstag ist man niemals träge –
durch das Land geht eine alte Säge –
äh, alte Sagen – eine Sage geht,
dass der Reichstag neue Blüten treibt –
manches Mitglied dort ist sehr beleibt,
äh, beliebt – sehr beliebt –
im Erfrischungsraum verzehrt man die Diäten,
viel zu schnell vergeh'n die paar Moneten,
äh, Minuten, die paar Minuten,
dann geht's wieder in den Saal voll Hast,
Ach, die Arbeit ist oft eine große Last!
äh, Lust – eine große Lust.
Manche könn'n selbst abends sich nicht vor der Arbeit retten,
sitzen dort noch nachts im Saal und denken ständig an de Betten – –
äh, an Debatten – nicht an de Betten,

Refrain:
An Debatten, bitte sehr,
Kinder, ist das Reimen schwer!

7.
Die Minister treffen sich jetzt oft aus jedem Lande,
ständig liest man ja etwas von Völkerbande –
äh, vom Völkerbunde,
wie sich alle mit dem ew'gen Frieden brüsten,
woll'n vom Kriege ewig ruh'n, woll'n ständig rüsten,
äh, rasten – nicht rüsten.
Viel Besatzung ist vom Rhein schon abgezogen,
„O, ich räume gern,“ sagt mancher sehr verlo – –
äh, verlegen.
Rheinlandsräumung kann die Herr'n Franzosen sehr erhitzen,
denn sie möchten das Gebiet für ew'ge Zeit besitzen,
äh, besetzen – nur besetzen –
denn sie lieben es und rühmen's gern in Wachen und im Träumen,
jeder weiß, dass sie das Rheinland gerne räumen –
äh, rühmen, er spricht von räumen? – Das sie das Rheinland gerne rühmen –

Refrain:
Nicht gern „räumen“, bitte sehr,
Kinder, ist das Räumen schwer!

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