Karl Valentin zählte ebenfalls zu den Verehrern von Otto Reutter. Er bezeichnete Reutter in einem Brief vom 22.4.1920 als "unverwischlich in der teitschen Geschichte und Heimatkuunde". Der Schauspieler O. E. Hasse berichtet von einem Besuch bei Valentin und Lisl Karlstadt, wo Reutters Schellackplatten erklangen und Valentin bemerkte: "Den mog l, des is a ganz a Großer!'" Valentins "Lied vom Sonntag" ist von der Melodie identisch mit dem Reutter-Titel "O quäle nie ein Thier zum Scherz".
Einmal waren zur gleichen Zeit Reutter und Valentin in Bad Kissingen. Valentin entdeckte Reutter auf der Straße gehend vom Bahnhof, leise seine Verse für den abendlichen Auftritt deklamierend. Ein Hand hing herab und es sah so aus, als ob Reutter einen unsichtbaren Koffer trug. Valentin schlich von hinten heran und henkte Reutter seinen eigenen Koffer in die halb geschlossene Hand.
"Damals hat er mich besiegt!" - erzählte Valentin später, denn Reutter ging ohne aufzusehen mit dem Koffer in der Hand weiter.
Karl Valentin gratuliert Otto Reutter zum 50. Geburtstag
München, den 23. April 1920.
Mein lieber Herr, 50 Jahre alter Otto Reutter !
Soeben nahm ich vor drei Tagen die Artistenzeitung in die Händen
und laste da unter anderem Otto Reutters 50. Geburtstag. Momentan
war ich ja der Meinung, es handelt sich hier um eine plumpe Famili=
enangelegenheit Ihrerseits, anderseits wenn man aber bedenkt, was
Sie dazu veranlasst, so findet man es begreiflich, denn es ist jedem
Menschen in unserer schweren Zeit hineinzuschauen mit Schaudern,
wenn man zurückblickt in einem Alter von 50 Jahren bedacht es zu er=
tragen mit Gesundheit und Hochwohlgeboren, die Sie durch Ihre humo=
ristischen Vorträgen der Nachwelt erhalten bleiben. — - Otto Reut=
ter - Richard Wagner - Asta Nielsen und - Noske - diese Namen blei=
ben unverwischlich in der teitschen Geschichte und Heimatkunde.
Es gehört ein fester Entschluss dazu, so alt zu werden; Was Ihnen
meine Mutter von Herzen provezeit hat, jedoch ist 50 Jahre eines
der schönsten Aelter und ist die Zierde eines 50=jährigen Humoristen
mit nur selbstverfassten Rebertuir unter dem Artistentum. Besonders
Artisten werden selten 50 Jahre alt, in vielen Fällen werden sie
meistens nur 48 - 49 - 51 oder 52 Jahre und darüber, meist findet
man das 50. Lebensjahr unter Artisten, welche nicht ständig reisen,
wie Filmoperateure, die das 49. Lebensjahr überschritten sind.
Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen alle Menschen der Erde hier
aufzählen würde, die gegenwärtig auch das gleiche Jubiläum,wie Sie
heute feuern, betroffen sind. 50 Jahre lang stehen Sie heute auf
der Bühne und haben schon manchem geldgierigen Direktor viel Geld
verdient, besonders zu jener Zeit, als Sie selbst die Direktion
hatten von Ihrem eigenen Varieté. In 12 Jahren habe ich Sie einge=
holt betreffs Ihres 50=jährigen Alters, da feiern wir dann zusammen
unser 50=jähriges Altersjubiläum. Schade, dass das nicht möglich
ist, denn damals sind Sie schon dann um 12 Jahre älter, da ich heute
38 Jhre alt bin. Sie würden nach meiner Ansicht nicht so schnell
gealtert haben, wenn nicht der lange Krieg Sie dazu gezwungen hätte
........ Den Sessel (Stuhl), auf dem Sie in meiner Wohnung geses=
sen haben, als Sie das letztemal in München mich besuchten, habe
ich - verkauft, da ich annahm, dass Sie mich nie mehr besuchen.
Sollten Sie jedoch mich einmal wieder in so aufdringlicher Weise
besuchen, so könnten Sie ja auf dem Küchenherd Platz nehmen, da der=
selbe ja wegen der zeitgemässen Kohlennot nicht geheizt werden kann.
Bei Ihrem event. Wiederbesuch könnten Sie mir bayerische Nahrungs=
mittel aus Berlin mitbringen, welche solche ja in Berlin massenhaft
auf Lager liegen. In München ist gegenwärtig täglich von vormittags
11 bis nachmittags 1 Uhr Hungersnot, sonst nichts neues. - Auch
gratuliere ich Ihnen nachträglich zu Ihrem 50. Geburtstag.
Es grüsst und küsst Sie
hochachtungsvoll !
Ihr Karl Valentin,
Münchener Komiker ( ehemals K.B.Hofl.)
Verzeihung, schlechte Schrift, Schreibmaschine ist eben=
falls heute 50 Jahre alt.
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Otto Reutter Ständige Adresse : Gardelegen,
Tel.63.
7. Mai 1920.
Herrn
Karl Valentin !
München
Kanalstrasse 8/11, G.H.
Sehr geehrter Herr Valentin !
Hierdurch teile ich Ihnen mit, dass mein Mann, bei dem
es schon früher ohnedies nicht ganz richtig war, beim Lesen Ihres
Briefes vollständig blödsinnig geworden ist und heute in die Irren=
Anstalt " Cabaret Wien - Berlin " abgeführt wurde.
Mit hochachtungsvollem Gruss
Frau Evi Reutter.
Besten Gruss und Dank auch an Ihre liebe Mutter.
Ihr
Otto Reutter.
Scherzinvektiren für Otto Reutter (1927)
Endlich ist die Zeit gekommen, dass Sie endlich München
verlassen. lange genug hat es gedauert, dass Sie das hiesige und
das Münchner Publikum mit Ihrer unsympathischen Erscheinung gefes=
selt haben. Ihr nicht minder schreiendes, jahrzehntelang ausgelei=
ertes Organ, pfeifen die Spatzen schon bald an Dache, und Sie sind
weit von der Kunst entfernt, wenn Sie der Meinung sind, alle Herzen
sämtlicher Münchner Madln haben nur für Sie geschlagen. Ein allge=
meines Pfui verdienen Sie schon dadurch, dass Sie glauben, die Münch=
ner seien so blöde Menschen und glauben, das Duell, welches Sie am
Schlusse des Deutschen Theaters mit den Säbeln vortragen - dass das
ein Witz sein soll und kein Ernst, da müssen Sie sich dümmeres Pub=
likum suchen, als das, das - das glaubt. Dass Sie die Unverschämt=
heit besitzen und verbreiten überall herum, die 15 Tillergirls seien
Ihre Schwestern, ist ebenfalls aus der Luft gegriffen. Ihr ebenfall=
siger Partner Willi Schäffers ist genau so schlecht wie Sie, im
Maskenschminken, und traurig genug ist eß, dass so etwas noch über=
haupts manchmal noch bei Ihnen möglich ist. Und bei ihm. Ein ande=
rer Sänger schämt sich wenigstens, wenn er schon nicht singen kann,
Sie beide aber, wo singen können, schämen sich nicht. Dass die
Leute überhäupts bei Ihnen noch applaudieren, das haben Sie eben
nur dem kunstverständigen Publikum zu verdanken. Sonst hätte man
Ihnen schon längst die Stiefel gewichst. Auch Herr Direktor Johann
Gruss wird, wenn Sie seine Bühne verlassen, aufschnaufen, denn um
diese Gage, die Sie bei ihm haben, hätte er einen jungen Star auch
bekommen.
Auch die Artistenloge " Unsicher wie Blei " der Sie noch Beiträge
aus den Jahre 1705 schulden, hat beschlossen, Sie wegen Unrein=
lichkeit aus den Verein auszuschliessen. Auf solche Bühnenkünstler
wie Sie sind, kann München jederzeit verzichten. Anschliessend er=
laube ich mir zugleich die höfliche Anfrage ob Sie als bekannter
Wohltäter und lieber Mensch geneigt wären, mir ein Darlehen von
Zehn Mark auf kurze Zeit zu schenken. Wofür ich in Voraus meinen
Herzlichsten Dank ausspreche. Ihr
Karl Valentin
Anbei kleines Geschenk. ( Bitte sich darüber zu freuen ) .
Ich wollte den Brief anonym schreiben, aber wegen dem
Darlehen muss ich meine Adresse leider vermerken.
D. 0.