Alles weg'n de Leut'
(Alles der Leute wegen)
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 207

1.
Wir sind, glaub ich, nur auf der Welt
Weg'n de Leut'.
Wir tun oft, was uns nicht gefällt,
Weg'n de Leut'.
Wir richten uns nie nach dem eig'nen Behag'n,
Stets denk'n wir: Was werd'n wohl die Leute dazu sag'n?
Wir geh'n auf den Ball, üben Wohltätigkeit,
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

2.
Wir geb'n Soireen sehr fein
Weg'n de Leut'.
Wir laden die Leute uns ein
Weg'n de Leut'.
Wir kriegen Besuche von Hinz und von Kunz,
Selbst wenn wir bei uns sind, da sind wir außer uns —
Wir komm'n nie zu uns, dazu fehlt uns die Zeit —
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

3.
Wir schwärm'n für die Kunstgalerie
Weg'n de Leut'.
Wir gehn in die Philharmonie
Weg'n de Leut'.
Wir schwärmen für Wagner — 's ist oft Heuchelei —
Gehn in die »Nibelungen« und schlafen ein dabei -
Im Winter in Berlin und im Sommer in Bayreuth —
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

4.
Wir gehn voller Schick, voller Schneid
Weg'n de Leut'.
Wir tragen Brillanten – von „Tait“ – (Oder: Wir tragen ein Talmi-Geschmeid)
Weg'n de Leut'.
Zu Haus ißt man Hering, der kost't nicht viel Geld,
Doch geh'n wir mal aus, werden Austern stolz bestellt.
Dann sag'n wir noch blasiert: Schon wieder Austern heut?
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

5.
Wir fahrn auf dem Automobil
Weg'n de Leut'.
Wir fahr'n zu der „Woche“ nach Kiel
Weg'n de Leut'.
Im Sommer, da wär's auch zu Hause recht schön,
Doch was würd'n dann die Leute sagen — ins Bad muß man gehn.
Da gehn wir sogar baden - nicht weg'n der Reinlichkeit,
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

6.
Beim Trauerfall heucheln wir Leid
Weg'n de Leut'.
Da tragn wir ein ganz schwarzes Kleid
Weg'n de Leut'.
Fragt jemand: »Wie geht's?«, sagt man: »Gut! Danke sehr!«
Denn wenn man sagt: »Schlecht!«, na, dann freut sich doch der.
Doch wenn man sagt: »Gut!«, ja, dann platzt er vor Neid.
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

7.
Die Fraun gehen immer modern
Weg'n de Leut'.
Wenn's Mode ist, schnürn sie sich gern
Weg'n de Leut'.
Ist die Frau auch so dick, sie muß rein in die Kluft -
Dann sitzt sie da beim Essen, und da kriegt sie keine Luft.
Und's Essen rutscht nicht runter, zu eng ist das Kleid -
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

8.
Wir sind in Gesellschaft exakt
Weg'n de Leut'.
Da sehn wir auf Sitte und Takt
Weg'n de Leut'.
Was andres ist's, was im Verborgenen geschieht,
Da könn'n wir alles machen, sobald es keiner sieht.
Es handelt sich ja gar nicht um Anständigkeit,
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

9.
Man hastet nach Titeln und Ruhm
Weg'n de Leut'.
Man hängt einen Orden sich um
Weg'n de Leut'.
Man fährt nach der Schweiz, kraxelt Berge hinauf,
Schreibt stolz auf Ansichtskart'n: „Hier kam noch keiner rauf.“
Dann purzelt man runter, liegt unten und schreit -
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

10.
Man schränkt in der Liebe sich ein
Weg'n de Leut'.
's Herumpoussier'n darf gar nicht sein
Weg'n de Leut'.
Kaum kennt man das Mädchen, muß man zum Altar -
Und dann tut man glücklich — und 's ist doch gar nicht wahr —
Und man kriegt drei, vier Kinder in ganz kurzer Zeit,
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

11.
Nun sahn Sie, was alles geschieht
Weg'n de Leut'.
Schaut mich an - auch ich sing dies Lied
Weg'n de Leut'.
Ich sing doch den Quatsch nicht zu meinem Vergnüg'n -
Mich würden Sie nicht zu mir in die Vorstellung rein krieg'n.
Sing' auch nicht weg'n dem Geld, nein, das täte mir leid -
Alles weg'n de Leut', weg'n de Leut'.

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