Erlauschte Gesprächen – ein Kleinstadtidyll
Text und Melodie von Otto Reutter
(Das Couplet wird mehr gesprochen, als gesungen. Kammer zu
Teich/Danner Nr. 389

1.
Erlauschte Gespräche – ein Kleinstadtidyll.
Wenn ich mal von der Großstadt erholen mich will.
Dann fahr' ich zur Kleinstadt, an 'nen ganz stillen Ort,
Durchschlend're die Straßen und hör' jedes Wort:
„Herr Stadtrat!“, „Herr Ökonomierat!“, „Frau Unterpostsekretär!“
Die kenn'n bloß ihre Titel, Nam'n kenn'n sie nicht mehr,
„Wo bleib'n Sie?“ - „Was treib'n Sie?“ - „Wie geht's?“ und „Wie steht's?“
„Na 's geht ja“ - „Na dann geht's ja.“ - „Ja 's geht ja.“ - „Na dann geht's.“
 
2.
Erlauschte Gespräche – schon morgens ist's nett.
Der Gockelhahn kräht – also raus aus dem Bett.
Der Schweinehirt tutet – die Schafe, die mäh'n,
und auf dem Markt sieht man Damen – die einkaufen gehn.
„Was kosten die Eier?“ – „Ah, Frau Gemeinderat Frey,
zwölf Stück 'ne Mark sechzig“ – „Dann geb'n sie mir zwei!“
„Mir 'n halbes Pfund Pflaumen!“ – „Gern, Frau Doppelbuchhalterin.“
„Und mir 'ne recht schöne Zwiebel!“ – „Ja, schick' sie ihn'n hin.“

3.
 Erlauschte Gespräche – zur Mittagszeit
Weiß einer vom andern – genau Bescheid.
„Bei Schmidt's brennt der Kohl an!'“ - „Na, ihr Alter, der lärmt“ –
„Bei Meier's gibt's Braten.“ – „Vom Sonntag, gewärmt!“
„Frau Klein kann nicht kochen – hat Konserven besorgt.“
„Frau Piefke hat Gäste!“ – „Da wird alles geborgt.“
„Bei Klapprichs gibt's Kohlrüb'n? – Das riecht man genau!“
„Und die dicke Müller'n hat Schlachtfest - zwei Zentner die Sau.“

4.
Erlauschte Gespräche – nach Tisch – miteinand',
da lesen sie's Kreisblatt – 's ist hochinteressant.
„Ein Rind zu verkaufen!“ – „Ein Deckhengst bereit!“
„Ein Bulle entlaufen!“ – „Eine Kuh kalbte heut'.“
„Die dickste Kartoffel – auf der Redaktion.“
„Und heut' - im April - kam ein Maikäfer schon.“
„Und unser Storch ließ sich nieder – auf dem vorjähr'gen Feld.“
„So, nun weiß man doch wieder, – was passiert in der Welt.“

5.
Erlauschte Gespräche - Frau Kunz kommt zurück
vom Kino zur Freundin. - „Ein reizendes Stück!“
„Was gab’s denn?“ - „’s war herrlich! – Also Fräulein Witt.“ - „Von neb’nan?“
„Ja, auf’m Rang, ganz im Dunkeln - mit ’nem wildfremden Mann –
und in der Loge Herr Kurz.“ - „DER, der Pleite gemacht?“
„Ja – und neb’n mir Frau Schäwig - in komischer Tracht,
Lauter VORJÄHR’GE Sachen!“ - „Und das nennt die nun schick!“
„Ja, ich mußt’ ja so lachen - ein reizendes Stück!“
 
6.
Erlauschte Gespräche – 'n Spaziergang im Frei'n –
Herr Klaus und Herr Schramm – 's geht jeder allein.
An der Eck' vor 'nem Haus – treffen beide zusamm'.
„Juten Abend, Herr Klaus!“ - „Guten Abend, Herr Schramm!“
„So alleen woll'n Se wandern?“ - „Ja, das find' ich sehr fein.“
„Jehn Sie nie mit 'nem andern?“ - „Nein, ich geh' gern allein.“
„Ich jeh' ooch jern alleene.“ - „Ich doch auch, lieber Schramm!“
„Na, das trifft sich ja scheene – dann jehn wir zusamm'!“

7.
Erlauschte Gespräche - Herr Aktuar Dünn
und Herr Rechnungsrat Winzig – müssen schnell mal wohin.
Steh'n bedrängt vor der Tür – aber keiner geht eh'r.
„Nein, bitte nach Ihnen!“ - „Nein, nach Ihn' n, bitte sehr!“
„Aber Sie sind doch mehr!“ - „Sie sind älter, zu dien'n!“
„Nach Ihn' n, bitte sehr!“ - „Nein, bitte, nach Ihn' n!“
Und so ging das „nach Ihn'n“ – und „nach Ihn'n“ vor der Tür,
und da bin ich rasch erschienen und da kam'n sie nach mir.

8.
Erlauschte Gespräche - im Gasthof „Zum Lamm“,
da komm’n jeden Mittwoch - zehn Herrn zusamm’n.
Sie sitzen am Stammtisch - man hört keinen Toast,
kein Gespräch, keinen Ton - sie sag’n bloß immer „Prost!“
Mal „prostet“ der EINE - dem ANDERN zum Trost
und trinkt dann der ANDRE - sagt der wieder „Prost!“
Und sie „prosten“ drei Stunden - gehn nach Hause alsdann –
’s ist doch schön, wenn man sich mal ’n bißchen aussprechen kann.
 
9.
Erlauschte Gespräche – ein „Kränzchen“ zu schau'n
bei der Frau Bürgermeister – da reden die Frau'n.
„Was macht die Frau Krause?“ - „Die putzt sich doch nur.“
„Und Frau Knopp?“ - „Hat was Kleines - von IHM nicht die Spur!“
„Und mit Frau Brandt noch verkehr'n?“ - „Nein! Die prügelt ihr'n Mann –
ich kann's gar nicht mit anseh'n!“ - „Nun seh'n Sie mal an!“ – –
Und dann komm'n die drei Frauen – und die Freude ist groß.
„Eben red'n wir von Ihnen! – Wo bleib'n Sie denn bloß!“
 
10.
Erlauschte Gespräche - in lauschiger Nacht
gibt's da KEINE Gespräche, – wenn der Frühling erwacht.
Da komm'n die Verliebten – sitzen heimlich im Frei'n
auf 'ner Bank, die gestiftet – vom Verschön'rungs-Verein.
Die ist frisch gestrichen – das merken sie nicht.
Man hört nur ihr Küssen , – bis der Morgen anbricht.
Und hab'n sie's Heim dann erreicht – und ist jeder allein,
sind sie alle noch feucht – vom Verschön'rungs-Verein.
 
11.
Erlauschte Gespräche – beim Schützenfest.
Das feiert man groß – grad' im winzigsten Nest.
„Gut'n Morgen, Herr Hauptmann!“ - „Ah, Herr Schützen-Major!“ –
„Und hier der König , der neue - na wie komm'n Sie sich vor?“
„Und hier die Frau Kön'gin – majestätisch und echt,
fehlt nur noch die Krone“ – „Na heut' leb'n Sie nicht schlecht.“ –
„Ja, ein Tag ohne Sorgen, – den man niemals vergißt.“
„Na und Frau Kön'gin - morgen?“ – „Da fahren wir Mist!“
 
12.
Erlauschte Gespräche – im Bürgerverein
Geht's streng nach dem Stande, – denn Ordnung muß sein.
Beim Verteilen der Plätze – kommt mancher in Zorn:
„Uns plazier'n sie nach hinten!“ - „Ja, wir sitzen vorn!“
„Frau Günther ganz vorne“ - „Ja, wer's hab'n kann, der hat's !“
„So, und ick, die Frau Schulzen – uff'n hinteren Platz.
Und uff'n vorder'n die Günther'n?“ - „Ja, das ist unser Niveau!“
„So - und ick sitz' uff'm Hinter'n!“ - „Na das sowieso!“
 
13.
Erlauschte Gespräche - am Bahnhof ist's fein.
Fährt man ab, marschier'n alle – bis zum Zug hinterdrein.
Man steigt ein, öffnet's Fenster – und die steh’n vor dem Zug.
Da reden sie immer dasselbe, – krieg'n gar nicht genug.
Da geht's „Winke, Winke“ – und 's Taschentuch raus.
Und „Glückliche Reise! und „Nu grüß' man zu Haus!“
Und „Schreib'n Sie man bald“ – und „Komm bald wieder her!“
Und der Zug steht noch immer – und sie wissen nischt mehr.
Also nochmal „Winke, Winke“ – und 's Taschentuch raus,
und nochmal „Gute Reise!“ – und „Grüß' man zu Haus!“
Und „Schreib'n Sie bald mal!“ – – Und dann heißt es: „Der Zug
fährt erst mit Verspätung.“ – – Nun ist 's noch nicht genug!
Also nochmal „Winke, Winke“ – und 's Taschentuch raus –
und nochmal „Gute Reise!“ – und „Grüß' man zu Haus!“
Und „Schreib'n Sie man bald mal!“ – – und der Zug bleibt am Fleck –
Na und endlich, da pfeift er – – „Gott sei Dank, er is weg!!“