Seh'n sie, das sind lauter Helden, von denen keine Blätter melden –
Original-Vortrag von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 318

1.
So mancher trägt heut' einen Orden,
den er errang im Kriegsgefecht.
Er ist gelobt, befördert worden –
als Held gepriesen – und mit Recht. –
Doch ich behaupt', es gibt auch Helden,
die zogen nicht zum Kampf und Sieg –
und, wenn's auch keine Blätter melden,
sie dulden heut' noch durch den Krieg.
Zum Beispiel, viele Kinder heut'
sind vaterlos und dulden Leid – –
Seh'n sie, das sind lauter Helden,
von denen keine Blätter melden –
Vater fiel – Mutter schafft –
und dem Kind geht's mangelhaft
an der Aufsicht fehlt's nicht minder – –
Vaterland, schütz' deine Kinder,
die den Vater nie gekannt,
denn Vater starb fürs Vaterland.

2.
So mancher, als der Krieg zu Ende,
gab seine früh're Meinung auf,
schwamm mit dem Strom, rieb froh die Hände,
denn er rückt' höher stets herauf. –
Doch wer nicht gleich heut' tadeln wollte,
was gestern pries noch alle Welt –
und wer dem Schiebertum grollte,
versank im Strom, verlor sein Geld.
Viel geistig Hohe findet man
in nied'rer Stellung heute an – –
Seh'n sie, das sind lauter Helden,
von denen keine Blätter melden –
protzen schwelgen, leben fein –
steigen erster Klasse ein.
Doch die wahrhaft keinen Leute
weißen nicht so – willst du heute
Leute erster Klasse seh'n,
musst du zur vierten Klasse gehn.

3.
's gibt deutsche in gewissen Zonen,
die müssen viel erdulden jetzt.
Das sind die deutschen all, die wohnen
in den Gebieten, die besetzt.
Wie's dort auch manche Gegner treiben
voll Übermut, voll Siegerlust –
die Deutschen müssen ruhig bleiben –
den Groll verbergen in der Brust.
Sie dürfen singen nicht – o Pein –
das Lied vom schönen, deutschen Rhein
Seh'n sie, das sind lauter Helden,
von denen keine Blätter melden –
haben stimmt erduldet schon
manchen Spott und manchen Hohn –
sind noch nicht vom Krieg gesundet,
fühl'n sich heut' noch oft „verwundet“.
Im Gebiete, dass besetzt,
da werden sie noch heut' „verletzt“.

4.
Jedoch am schlimmsten geht es heute
den kleinen Rentnern, schwach und alt.
Was sind das heut' für arme Leute –
was sie erspart, dass schwindet bald.
Sie gab'n ihr bisschen Gold für Eisen
einst gerne hin mit offener Hand.
Nun will ihn'n niemand Hilf erweisen
im neuen teuern Vaterland.
Wer jung ist, kriegt sein recht – der streikt –
wer alt, den braucht man nicht – der schweigt –
Seh'n sie, das sind lauter Helden,
von denen keine Blätter melden –
Darben viel und Klage nie –
betteln nicht – eh'r sterben sie.
bleich und stumm, auf stillen Wegen
harren sie dem End' entgegen – – –
waren nie in Kampfesnot –
und sterben auch den Heldentod.

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