Die neue Steuerschraube
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 303
1.
Ständig wird man jetzt erneuern
ganz gewaltig alle Steuer,
keiner wird dann sagen: „Nein!“
Denn, was sein muss, das muss sein.
Ja, wir warten schon und flehen,
dass wir'n Steuerboten sehen.
Und wir freu'n uns, kommt er an,
g'rad', wie auf den Weihnachtsmann.
2.
Alle Menschen hier in Preußen,
ob sie Schulz, ob Müller heißen,
oder Lehmann – 's ist egal,
Steuern zahl'n sie allemal.
Hat man Pech und heißt man Meier,
zeigt man drei Mark Extra-Steuer.
Hier – das bringt 'ne Menge ein –
soll'n 'ne Menge Meiers sein.
3.
Auf das Wasser kommt 'ne Steuer,
da wird jeder 'n Wasserscheuer.
Solche Steuer w wär'n Malheur,
denn dann wäscht sich keiner mehr.
Selbst die Luft soll man berappen,
sonst gibt's keine Luft zu schnappen.
Zahl'n sie nichts für das Vergnüg'n
könn'n sie keine Luft mehr krieg'n.
4.
Rauchen, Trinken, Schlafen, Essen,
gar nichts wird man mehr vergessen.
Auch das Licht wird nicht verschont,
man besteuert Sonn' und Mond.
Selbst die Dummheit kostet heute
Steuern – da zahl'n viele Leute.
Nur die Leute hier im Haus
schließ' ich selbstverständlich aus.
5.
Wer im Knopfloch trägt 'ne Rose,
zahlt 'ne Steuer für die Chose –
wer am Finger trägt 'nen Ring,
zahlt 'ne Steuer für so'n Ding.
Jeder Schnurrbart flott und munter
kost't 'ne Mark, sonst muss er runter.
Steht er hoch, dann kost't er zwei,
von der Steuer bin ich frei.
6.
Auch die Frau'n sind nicht vergessen,
jeder Hut wird ausgemessen.
Der zu hoch ist und zu breit,
kostet Steuer – 's tut mir leid.
Selbst von ihren Haargeflechten
sind nur steuerfrei die echten.
Eine Mark der falsche Zopf,
ja, wir steig'n ihn'n auf den Kopf.
7.
Auch auf Dam'n- und Herrenkleider
kommt 'ne neue Steuer leider.
Für 'ne Schleppe, für 's Korsett,
legt man extra was aufs Brett.
Wenn uns so die Steuern drücken,
mangelt's bald an Kleidungsstücken.
Für die Frau'n ist das fatal,
aber uns ist das egal.
8.
Steuern nennt der Staat sein eigen
von Papieren, welche steigen.
Steuern nimmt er auch von all'n
den Papieren, welche fall'n.
Rechnung, Quittung, Liebesbriefe –
Steuern nimmt man sukzessive
bald von jedem Stück Papier,
dass man braucht, egal wofür.
9.
Jeglicher Kanarienvogel
kostet Geld – 's kein Gemogel.
Überhaupt, wer'n Vogel hat,
zahlt, dann ist die Sache glatt.
Jedes Tierchen, dass im Haus ist
wird berappt, selbst wenn's 'ne Maus ist.
Nur bei den ganz kleinen Tier'n
ist das schwer zu kontrollier'n.
10.
Auch bei allen Lustbarkeiten
meldet sich der Staat beizeiten.
Namentlich die Varietés
öffnen ihre Portemonaies,
denn sooft die Leute grinsen,
holt der Staat seine Zinsen.
Erst nach der Direktor sehr
und der Staat lacht hinter her.
11.
In den Séparées, da steht der
patentierte Kussometer.
Küsst der Mann ein Mägdelein,
steckt er erst fünf Pfennig rein.
Nachts, sobald das Licht erloschen,
kostet jeder Kuss 'n Groschen.
Küsst man häufig und sehr stark,
kriegt man zwölfe für 'ne Mark.
12.
Bei 'nem jungen Ehepaare
bringt das Küssen viel im Jahre.
Namentlich der erste Tag
bringt 'nen riesigen Betrag.
Später, wenn die Leute älter,
wird die Liebe langsam kälter
und da wird das Küssen rar –
ungefähr 'ne Mark im Jahr.
13.
Aber – wie gesagt – der erste
Tag der Ehe bringt das Mehrste –,
abends kommt der Steuermann.
„Wie viel Küsse?“ – fragt er dann.
Und die Frau Zeit die Moneten,
„Tausend“, sagt sie mit Erröten –
„aber 's werd'n vielleicht noch mehr
komm'n Sie Morgen nochmal her.“
14.
Steuern zahl'n auch Potentaten,
die wir zu den Toten taten,
weil ja der Soldatenrat
weg die Potentaten tat.
Einst auf die Statuten taten
Potentaten tuten taten,
aber jetzt im roten Staat
zahlt auch Draht der Potentat.
15.
Wenn Verliebte an die Brust sich
heftig pressen voller Lust sich,
ja, dann zahlen alle beid'
Steuern für die Lustbarkeit.
Auch die Frau muss mit berappen,
gleiche Brüder, gleiche Kappen;
wenn die Frau'n sich amüsier'n,
könn'n sie auch was mit spendier'n.
16.
Aus Vergnügen kommt 'ne Steuer,
die wird riesig, ungeheuer,
trotzdem gibt fast jedermann
sein Vermögen richtig an.
Manchen aber dann dagegen
fehlt's Erinnerung-Vermögen,
weil auf sein Vermögen dann
er sich nicht erinnern kann.
17.
Die auf dem Klaviere stümpern,
Zahl'n 'ne Steuer für ihr klimpern.
Wenn man auf 'nen Teppich tritt,
kost't 'ne Steuer jeder Schritt.
Jedes Fell bezahlt mein schnelle,
Steuer komm'n auf alle Felle (Fälle)
auch auf Pelze, alt und neu,
nur der Faulpelz, der bleibt frei.
18.
Eine Junggesellensteuer
kommt jetzt auch, die wird sehr teuer –
darum denkt jetzt mancher schlau:
„Gut, dann nehm' ich mir 'ne Frau.“
Eine Frau ist ohne Frage
aber 'n Luxus heutzutage.
Wird man also Ehemann,
kommt die suchte Steuer ran.
19.
Steuer nimmt man auf der Reise
doppelt hoch für Fahrscheinpreise.
Was man zahlte sonst zu Zwei'n,
das Zeit einer jetzt allein.
Druck macht mancher schlauer Weise
jetzt allein die Hochzeitsreise
und lässt seine Frau zu Haus.
Dadurch gleicht's sich wieder aus.
20.
Höher sind die Posttarife,
namentlich für schwere Briefe.
Drum spart mit der Tinte sehr,
Tinte macht die Briefe schwer.
Gestern kam zu mir ein Bude
mit 'nem Liebesbrief und drohte:
„Heute zahl'n sie Überfracht,
denn sie hat 'nen Klecks gemacht.“
21.
Hast du Gelder auf der Börse,
kommt der Staat und nimmt er se.
Kommst du mit den Zinsen an,
fängt er schon zu grinsen ein.
Darum, Mensch, was spekulierste,
denn der Staat nimmt's Geld im Nu
und die Börse, die hast du.
22.
Auch Zigarr'n stehn auf der Liste
nimmst du eine aus der Kiste,
macht der Staat erst seinen Schnitt.
Wenn wir Rauchen, braucht er mit.
Auch beim Wein, da heißt es: „Zahle!“
Erst lachst du im Weinlokale,
zahlst du, weinst du kolossal,
dafür ist's ein Weinlokal.
23.
Alle Hamst'rer hier auf Erden
werden schwer besteuert werden.
Da kommt, glaub' ich, niemand frei,
auch der Staat ist mit dabei.
Jeder Umfang wird gemessen –
wehe, wer sich voll gegessen!
Denn für jeden starken Bauch
Zahl'n die Herr'n – die Damen auch.
24.
Steuern komm'n auf Aut'mobile –
sitzt man vom, auf weichen Pfühle,
und mein setzt sich um sodann,
kommt auch Umsatzsteuer dran.
Steuer zahlst du, wenn du gross bist,
zahlst auch, wenn du winzig bloß bist.
Wächst du dann noch etwas zu,
zahlst 'ne Zuwachssteuer du.
25.
Seh'n sie wohl, so wird man's machen,
Steuern komm'n auf tausend Sachen,
doch es zahlt in jeder Stadt
immer der nur, der was hat.
Wer viel hat, muss vieles leisten,
wer nischt hat, hat jetzt am meisten.
Wo nischt ist, wird nicht geschor'n –
da hat der Kaiser 's Recht – –
(sprechend) „Oh, entschuldigen sie!“ (singt weiter)
Da hat der Ebert 's Recht verlor'n.