Helene im Reformkleid

Couplet-Scherz von Otto Reutter
Teich/Danner 156

(Wirkt besonders in sächsischer Mundart.)

1.
Ich liebte einst ne heute Maid –
die trug ein reformiertes Kleid
doch so'n Reformkleid ist nicht schön –
da kann man die Figur nicht seh'n.
's ging glatt herunter – welch ein Graus –
nicht mal die Füße guckten raus.
Mit einem Wort – mir war nicht klar,
ob sie normal gewachsen war.
Drum sagte ich: „Helene, dein Kleed ist nicht scheene,
du weeßt schon, wie ich's meene –
zieh schnell ein and'res an.“

2.
Helene aber, mir zum trotz,
lieb drin in diesem Kleider-Klotz.
Ich aber dachte: warte nur –
ich komm dir doch noch auf die Spur.
Drum, als es mal geregnet hat,
da ging ich mit ihr durch die Stadt.
Da kam'n wir ein ein Wasserloch –
da hob sie schnell ihr Röckchen hoch.
Da sah ich ihre Füße, so kleene, so süße,
Zwei ganze kleine Füße,
noch kleiner als die Schuh.

3.
Gut – dachte ich – das war ganz schön,
die Füße hast du nun geseh'n –
nun musst du etwas höher sehe'n,
ob sie auch warten hat am Been.
Da kam ich auf ne Haupt-Idee,
ich koofte ihr 'n Velociped.
Und auch ein Kleid mit Strümpfen dran,
die zog sie nun beim Fahren an.
Da sah ich auch die Waden, die Waden, die Waden.
Es kann doch gar nicht schaden,
wenn man die Waden sieht.

4.
Nun dacht' ich: Unten hörst du auf –
jetzt gehst du mal nach oben drauf –
dann siehst du hoffentlich den Hals.
Und die Umgebung ebenfalls.
Drum fuhr ich nach Berlin mit ihr –
ins Opernhaus da gingen wir,
's war Gala-Vorstellung – wie schön! –
Sie musst tief ausgeschnitten geh'n.
Da sah ich auch die Büste, die Büste, die Büste.
Die schönste Büste biste,
sagt ich und hab gelacht.

5. Nun – dacht' ich – ist's genug für mich –
doch letzten Sommer hörte ich,
dass im Familienbad Sie wär –
davor ich auch gleich hinter her.
Ich gab mich als ihr Onkel aus –
drum durft' ich rein ins Badehaus –
und als sie nun so int'ressant
als Badeengel vor mir stand,
da sagte ich: So ist's scheene, die Taille, die Beene,
jetzt nehm ich meine Lene –
nun weeß ich, was ich hab.