Das ist nischt - das macht Laune!

Original-Couplet von Otto Reutter.

Teich/Danner Nr.145

1.

Wenn die reichgeword’nen Leute
’mal spazieren fahren heute,
Nehm’n sie weder Pferd noch Wagen —
Diese Mode ist geschlagen.
Auch die ominösen Räder
Fährt ja heute schon ein jeder —
Die Gesellschaft ist gemischt —
Das ist nischt! —
Nein — heut’ fährt man plan- und ziellos
Stets mit dem Automobil los,
Vorwärts über Stock und Steine.
Hunde, Gänse, Enten, Schweine,
Alles rädert man ganz munter.
Schließlich fliegt man selber ’runter.
Eh’ sie sich’s versehen haben,
Liegt der eine schon im Graben
Und der andre hinter'm Zaune —
Das macht Laune — das macht Laune!

2.
kürzlich sah die Sozialisten
man sich zum Parteitag rüsten –
auf nach Bremen gezogen heiter
Bebel, Vollmar und so weiter.
Doch es war ne zahme Fehde –
nicht durch eine derbe Rede
wurde das Gemüt erfrischt –
das ist Nischt! –
Nein – so sagt sich Herr Stadthagen,
sowas kann mir nicht behagen.
Ach, ich kann mich gar nicht trösten,
warum war's nicht, wie in Dresden?
Warum schlug man mit dem Knüppel
nicht auf den verdammten Schippel?
Warum war man keine Steine
mal auf Mehring, mal auf Heine,
mal auf Bernstein, mal auf Braune?
Das macht Laune – das macht Laune!

3.
Die in's Varieté heut gehen,
haben alles schon gesehen –
Chansonetten und Gymnastik –
Akrobatik, Mimik – Plastik –
aber ganz besonders triste
ist es, wenn der Humoriste
ein paar alte Phrasen drischt –
das ist Nischt! –
Nein, heut muss man engagieren
einen Mann mit wilden Tieren.
Wird der Kerl halb aufgefressen,
dann klatscht alles wie besessen.
Schleifenfahrer müssen stürzen,
Ringkampf muss die Sache würzen.
Einer kriegt von hinten Keile
und der kriegt von vorn ne Beule
und ne Nase, ne verhau'ne –
das macht Laune – das macht Laune!

4.
Uns're braven, deutschen Truppen
mussten wir in großen Gruppen
gegen die Hereros senden –
doch der Krieg will gar nicht enden
wenn ihr lieben, deutschen Leute
dort aus der Hereromeute
ab und zu mal Ein'n erwischt,
das ist Nischt! –
Nein – die Sache muss mal klappen –
die Gewehre müssen schnappen,
ihr müsst mal die Kerls ertappen,
denn sonst geh'n sie durch die Lappen.
Wozu hab'n wir uns're Flotten?
Lasst nicht länger euch verspotten!
Diese Hottentottengrotten
gilt es, endlich auszurotten –
stoßt rein in die Kriegsposaune!
Das macht Laune – das macht Laune!

5.
Hollands Kön'gin Wilhelmine
sagt zu ihm mit trüber Miene:
„Russland hat jetzt einen Jungen,
auch Italien hat's errungen.
Wir allein sind die Genarrten,
ich alleine – ich muss warten,
bis die Hoffnung ganz erlischt –
das ist Nischt!
Nein, das geht nicht,“ sagt sie wein'rich –
„Warum kommt nischt, lieber Heinrich?
Warum krieg'n wir keinen Knaben?
Warum soll ich keinen haben?
Ach, wie ich mich freuen möchte,
wenn der Storch nen Sohn mir brächte.
Wenn ich ihn zu sehen kriege
in der längst gekauften Wiege,
dann bewund'r ich dich und staune –
das macht Laune – das macht Laune!“

6.
Ein sehr weitgereister Seemann
Sitzt bei einem deutschen Eh’mann
Und sagt zu ihm: „Lieber Lehmann,
Du mit Deiner Liebe, geh man,
Denn bei Euch in Eurem Reiche
Wird Euch jeden Tag das gleiche
Quantum Liebe aufgetischt.
Das ist nischt! —
Nein, das Herze darf nicht darben,
Drum lieb’ ich in allen Farben.
Wenn nach Afrika ich schunkle,
Nun, dann nehm’ ich mir 'ne dunkle —
In Australien, da drunten,
Schwärm’ ich für die Kunterbunten —
Hab’ ’ne Weiße an der Elbe,
Hab’ in China eine gelbe,
In Amerika ;ne braune,
Das macht Laune — das macht Laune!

7.
Manches Weibchen, das ich sehe,
Wird phlegmatisch in der Ehe —
Will der Mann von ihr ein Küßchen,
Dann sträubt sie sich nicht ein bißchen.
Ganz mechanisch bleibt sie stehen,
Ruhig läßt sie es geschehen,
Daß er ihren Mund erwischt —
Das ist nischt! —
Nein, Ihr müßt die Männer reizen,
Müßt mit Euren Reizen geizen.
Will der Mann Euch ’mal umfassen,
Müßt Ihr’n erst ’mal zappeln lassen.
Wenn das Männchen um Euch herfällt,
Dann seid spröde, wenn’s auch schwer fällt.
Ihr müßt nicht gleich stehen bleiben.
Ihr müßt schimpfen, müßt Euch sträuben —
Brecht 'nen kleinen Streit vom Zaune!
Das macht Laune — das macht Laune!

8.
Junge Ehefrau Therese
Sagt zum Gatten neulich böse:
„Ach, woran mag es nur liegen,
Daß wir keine Kinder kriegen?
Möcht’ so gern was kleines wiegen;
Doch du gönnst mir kein Vergnügen.
Deine Liebe, die erlischt.
Das ist nischt! —
Sieh mal da im Hinterhause
Bei dem Schneidermeister Krause!
Der Mann braucht sich nicht zu schämen!
Da kannst du dir ’n Beispiel nehmen.
Die krieg’n jedes Jahr ’nen Rangen,
Der erfüllt der Frau Verlangen,
Immer ist er auf dem Damme,
Nie erlischt die Liebesflamme.
Den bewundre ich und staune:
Das macht Laune — das macht Laune!

10.

Wenn ich mein Couplet hier singe
Und stets neue Verse bringe
Und ich schau’ von oben ’runter,
Sitzt das Publikum mitunter.
Ohne sich zu amüsieren —
Niemand denkt ans Applaudieren.
Schließlich wird sogar gezischt —
Das ist nischt! —
Nein, die Leute müssen klatschen,
Feste in die Hände patschen.
Bringen wir hier gute Sachen.
Müßt Ihr schreien gleich vor Lachen.
Wenn wir schlechte Witze machen.
Müßt Ihr noch viel lauter lachen.
Nun benutzt ’mal Eure Tatzen.
Alle Handschuh’ müssen platzen —
Ja. dann freu’ ich mich und staune —
Das macht Laune — das macht Laune!

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