Aus Dankbarkeit
Original-Couplet, Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 267
1.
Mit vollem Rechte schauen wir
herab auf's undankbare Tier.
Der Mensch ist dankbar – doch das Vieh
übt diese schöne Tugend nie.
Die uns den höh'ren Wert verleiht,
die Tugend heißt: Die Dankbarkeit!
2.
Ein Onkel, reich, ist krank und matt,
die Erben komm'n aus fremder Stadt.
Man ruft den Arzt – verlor'ne Müh’ –
als Onkeln dann begraben sie,
Da spend'n dem Arzt die lieben Leut'
dreitausend Mark – aus Dankbarkeit.
3.
Pumpt man dich an, dann schreibt man dir
acht Seiten – eng – aufs Briefpapier –
Kriegst Briefe täglich, stündlich fast – –
doch wenn du was gegeben hast,
dann schickt man dir nach langer Zeit
'ne Ansichtskart' – aus Dankbarkeit.
4.
's tritt ein Fabrikarbeiter 'rein
zum Fabrikanten – „Sie werd'n verzeih'n –
ick bin heut' g'rad fünfzig Jahr'
bei Ihnen.“ – Der sagt: „Ist das war?
Dann sind Sie alt. – Das tut mir leid!“ –
Und schmeißt ihn raus – aus Dankbarkeit.
5.
Ein alter Krieger wartet schon
seit siebzig auf die Pension.
Da, endlich, komm'n zehn Mark ins Haus.
Da reckt er sich. Stolz ruft er aus:
„Wer treu gedient hat seine Zeit,
den nährt der Staat – aus Dankbarkeit.“
6.
Ein Schmetterling fliegt in der Luft,
trinkt Sonnenschein, saugt Blumenduft.
Ein Knäblein fängt den Schmetterling
und ruft entzückt: „Welch buntes Ding.
O, mich erfreut dein buntes Kleid“ –
und spießt ihn auf - aus Dankbarkeit.
7.
Ein Vöglein singt im Waldeshain –
da kommt ein sanftes Mägdelein.
Das ruft: „Hab' Dank für den Gesang –
Dir will ich lauschen jahrelang.“
Das Vöglein, dem kein Raum zu weit,
sperrt sie nun ein - aus Dankbarkeit.
8.
Ein Forscher macht 'ne Nordpolreis' –
viel Hunde zieh'n durch Schnee und Eis
die Schlitten, plag'n sich fast zu Tod –
da, dicht vorm Ziel, gibt's Hungersnot –
Die Hunde, die stets hilfsbereit,
frißt er nun auf – aus Dankbarkeit.
9.
Ein junger Dichter schrieb ein Stück.
Es ward gegeben ohne Glück.
Dann ward's verboten – dann ward's frei –
nun strömten alle Leut' herbei.
Der Dichter hat sein Stück geweiht
dem Zensor dann – aus Dankbarkeit.
10.
Der Vater sagt zum Sohn entsetzt:
„Bist wieder durchgefallen jetzt.“
Der Sohn sagt: „Ich kann nichts dafür,
mein Lehrer meint's zu gut mit mir.
Mein Abschied macht ihm Herzeleid,
Ich bleib' noch da - aus Dankbarkeit.“
11.
Die Schwester sitzt beim Schatz allein,
da kommt ihr kleiner Bruder rein,
bleibt bei den beiden im Salon –
Da schenkt ihr Schatz ihm 'nen Bonbon.
Da sagt der Knirps, der sehr gescheit:
„Nu geh' ich raus - aus Dankbarkeit.“
12.
Ein Jüngling, der ein Mägdelein
drei Jahr gekannt, läßt sie allein.
Nimmt Abschied kühl – mit feuchtem Blick
ruft sie: „Läßt du mir nichts zurück?“
Er sagt: „Den Kleinen, der dort schreit,
Den laß ich dir – aus Dankbarkeit.“
13.
Wird man Major in der Armee,
dann heißt 's oft: „Lebe wohl! Ade!
Weil du jetzt überflüssig schienst,
drum heißt: a.D. stets: außer Dienst.“
Doch er denkt voll Ergebenheit:
„a-D., das heißt: – aus Dankbarkeit.“
14.
Der Russe ist als Freund kurios.
Er reizt sogar oft den Franzos.
Doch der beseitigt den Verdruss
von neuem stets, – dann sagt der Russ':
„Gut, unser Bündnis wird erneut“ –
und pumpt ihn an – aus Dankbarkeit.
15.
Mein Freund war Metzger manches Jahr.
Als nun sein Ende nahe war,
Sprach er: „Du warst stets lieb zu mir –
Drum sag' ich dir – und zwar nur dir,
dem besten Freunde weit und breit:
Iß niemals Wurst - aus Dankbarkeit.“
16.
Ein Gauner, heißt es – stahl 'ne Uhr.
Doch sein Verteid'ger tat 'nen Schwur:
„Der Mann - kein Engel ist so rein!“
Man spricht ihn frei. – Als sie allein,
da winkt der Gauner ihn beiseit',
schenkt ihm die Uhr - aus Dankbarkeit.
17.
'ne alte Jungfer schläft allein,
Da schleicht ein Dieb ins Zimmer rein.
Er stiehlt ihr alles – sie erwacht,
Er, schnell entschlossen, liebentfacht,
gibt ihr 'nen Kuß – und sie verzeiht
den Diebstahl ihm – aus Dankbarkeit.
18.
'ne Schwiegermutter lange schon
ist zu Besuch beim Schwiegersohn.
Da fällt sie bei 'ner Kahnpartie
ins Wasser rein – er rettet sie.
Da sagt die edle Frau erfreut:
„Heut' reis' ich ab - aus Dankbarkeit.“
19.
Zur Wehrvorlage Mann für Mann
gab jeder sein Vermögen an.
Auch wer's verschwiegen manches Jahr –
und weil jetzt jeder ehrlich war,
drum brachte uns der Staat erfreut
die Zuwachssteuer – aus Dankbarkeit.
20.
Steht auf dem Hof ein Leiermann –
spielt, daß es einen jammern kann.
Doch trotzdem schenkt ihm jeder was –
und als 'ne Mark in seiner Kass',
Da sagt der „Künstler“ hocherfreut:
„Nu hör' ick auf - aus Dankbarkeit.“
21.
Auch ich mach's wie der Leiermann –
ich nehm' zwar keine Gelder an.
Doch bitt' ich alle hier im Haus,
wenn's Ihn'n auch schwerfällt, um Applaus.
Dann werden Sie von mir befreit,
Dann mach' ich Schluß - aus Dankbarkeit!