Auf Schellackplatte erschienen unter dem Titel "Wenn man auch nicht will . man muss!"

Will man denn? – Man muss!
Original-Couplet. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 231

1.
Auf der Welt von Hindernissen
gibt's Antwort und das heißt: Müssen!
Etwas woll'n ist ein Genuss,
aber schrecklich ist das Muss.
Man muss in der Schule sitzen –
man muss in der Lehre schwitzen –
man ochst Medizin und Jus.
Will man denn? – – Man muss!

2.
Ist der Jüngling gut geraten,
muss er unter die Soldaten.
Ist einmal ein Krieg entbrannt,
muss er mit fürs Vaterland.
's geht nicht, sich da auszuschließen
er muss auf den Gegner schießen,
sonst gibt er den 1. Schuss.
Will man denn? – – Man muss!

3.
Ist die Dienstzeit dann zu Ende,
reit der Jüngling sich die Hände.
Jetzt ist er ein freier Mann.
Doch er wird ein – Freiersmann.
Erst poussiert man eine Weile,
plötzlich kommt sie voller Eile:
„Heirat'mich, sonst mach ich Schluss.“
Will man denn? – – Man muss!

4.
Jeder Eh'mann kennt das Müssen –
oft möcht' man 'ne andre küssen.
Hat man mal ein Rendezvous,
kommt bestimmt die Frau dazu,
und sie schreit: „Was willst du machen?
Ich bin da für solche Sachen.
Schnell, jetzt gibst du mir 'nen Kuss.“
Will man denn? – – Man muss!

5.
Hat man etwas Geld errungen,
werd'n und Steuer aufgedrungen.
„Mensch, du musst!“ so sagt der Staat.
's ist der reine Musterstaat.
Ach, man muss sich ohne mucken
vor dem Vorgesetzten ducken.
Oft ist das 'ne harte Nuss.
Will man denn? – – Man muss!

6.
Ach, man muss – so will's das Leben –
Bälle und Gesellschaft geben.
Selbst die Feinde läd man ein –
immer muss man freundlich sein.
Mit der stolzen, leicht verletzten,
dicken Frau des Vorgesetzten
tanzt man bis zum Überdruss.
Will man denn? – – Man muss!

7.
Auch die Frau hat ihre Pflichten,
muss sich nach der Mode richten.
Wenn es Mode wär, zu gehn
wie einst Eva, geht's gescheh'n.
Dann tät sich die Frau entschuld'gen:
„Man muss doch der Mode huld'gen –
runter mit dem Überfluss.
Will man denn? – – Man muss!

8.
Muss! Das ist ein bitt'rer Bissen,
ein Minister selbst muss müssen.
Wenn er nicht mehr feste steht,
wird er krank, bevor er geht.
Frägt man ihn: „Ist's sehr bedenklich?“
Lacht er trübe: „Ich bin kränklich
durch 'nen höheren Beschluss.
Will man denn? – – Man muss!“

9.
Auch ich muss mich fügen schließlich.
Oft bin ich am Tag verdrießlich
und muss abends oft um neun
auf Kommando lustig sein.
Oftmals pfeif' ich auf die Leute –
(doch ich rede nicht von heute.)
Aber manchmal macht's Verdruss,
Will man denn? – – Man muss!

10.
Sündhaft ist man in der Jugend –
doch im Alter kommt die Tugend –
und man meint die jungen Leut'
würdevoll zur Sittlichkeit.
Kann man nicht mehr, wie man möchte,
tritt die Tugend in die Rechte
und man meidet den Genuss.
Will man denn? – – Man muss!

11.
Ach, das Muss beginnt auf Erden
schon, wenn wir geboren werden.
„Wohlgeboren“ sagt man zwar,
doch der Sinn ist mir nicht klar.
Wenn man „wohlgeboren“ wäre,
schrie man nicht als kleine Jöhre.
Die Geburt macht schon Verdruss,
Will man denn? – – Man muss!

12.
Und so geht's, solang wir denken.
Man will selbst das Schicksal lenken.
„Ich will!“ lautet der Entschluss,
dann wird anders durch das Muss,
man will dies und das erstreben,
man will hundert Jahre leben –
und auf einmal kommt der Schluss – –
Will man denn? – – Man muss!