Weil's einfach ist
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 235
1.
Hab’n feine Leute Streiterei’n,
gibt’s ein Duell, denn das ist fein.
Mir fehlt die Satisfaktion.
Hab’ ich ’nen Streit mit ’ner Person,
hau’ ich ihr eine aufs Gerüst
und zahl’ fünf Mark – weil’s einfach ist.
2.
Manch junger Graf mit wenig Geld
kommt ohne Arbeit durch die Welt.
Er sucht 'ne Braut mit krummer Nos –
er gibt den Titel, die gibt's Moos.
Ist sie auch hielten und er Christ –
er nimmt sie doch – weil's einfach ist.
3.
Zur wunderschönen Sommerzeit
steig'n auf die Berge viele Leut'.
Sie schau'n von oben runter dann,
wobei man sehr leicht stürzen kann.
Drum schaue ich als Hochtourist
von unten herauf – weil's einfach ist.
4.
Ein Kranker stöhnt, verschmerzen blass;
der Arzt verordnet das und das.
„Was geht mir bloß?“ – der Kranke spricht.
Der Doktor sagt: „Noch weiß ich's nicht;
doch wart', wenn du gestorben bist,
dann schau ich nach – weil's einfach ist“.
5.
Manch Veteran focht einst im Krieg.
Jetzt fechtet er und macht Musik.
(Pantomime des Orgeldrehens)
Nun hilft der Staat dem armen Mann;
Zwar bringt er's Geld nicht selber an,
jedoch er arrangiert voll List
’nen Blumentag* – weil’s einfach ist.
6.
O Deutscher, du bist stolz und fein,
du kaufst vom Ausland ’s meiste ein,
lobst nur die fremde Industrie,
die meistens „Made in Germany“.
Denn daß du da kaufst, wo du bist,
fällt dir nicht ein – weil’s einfach ist.
7.
In ’nem Konzertsaal – welch ein Graus! –
spielt man ein Stück von Richard Strauss;
dann folgt ganz leis’ – als kläng’ es weit –
ein Volkslied aus der alten Zeit –
man kennt nicht mal den Komponist –
und das gefällt – weil’s einfach ist.
8.
Auf’s Streichholz kam ’ne Steuer jetzt;
drum ward ersetzt das Feuer jetzt.
(Ein Benzin-Feuerzeug aus der Tasche nehmend)
Dies Ding ist praktisch für den Mann;
man drückt und knipst – es brennt nicht an.
Dann nimmt man nach ’ner langen Frist
ein Streichholz raus – weil’s einfach ist.
9.
Wer heute freit, der ist nicht schlau.
Vielleicht wird untreu so 'ne Frau.
Betrogen werden macht Verdruss,
doch selbst betrügen schafft Genuss.
Drum, Männer, bleibet frei – und küsst
die andern Frau'n – weil's einfach ist.
10.
Die Aviatik heutzutag
Macht manchen Flieger sehr viel Plag'.
Stolz geht's per Aeroplan hinaus.
Da – plötzlich – muss er wieder raus.
Dann kommt ans Ziel so'n Renommist
per Eisenbahn – weil's einfach ist.
11.
Die Diplomaten unsrerZeit,
die hüll’n sich oft in Schweigsamkeit,
behandeln uns wie’n kleines Kind.
Wir wissen nie, woran wir sind.
Uns aufzuklär’n den ganzen Zwist,
das tun sie nicht – weil’s einfach ist.
12.
Der Friedenshimmel ist nicht klar.
Man munkelt oft von Kriegsgefahr.
's gibt 'ne gewisse Nation,
die wünscht uns Krieg seit Jahren schon.
Sie selbst hat gar kein Kriegsgelüst –
sie hetzt nur auf – weil's einfach ist.
13.
’ne Tante, die beerb’ ich mal.
Bis dahin bin ich grau und kahl.
Da hat’s ein Kannibale gut.
Wenn der ’ne Tante haben tut,
lädt er sie ein voll Hinterlist
und frißt sie auf – weil’s einfach ist.
14.
Viel Toiletten braucht ’ne Frau –
zehn Kleider, gelb und grün und blau.
Ein Mann kann’s gar nicht zahlen mehr –
drum glaub’ ich, daß es besser wär’,
wenn jede Frau sich kleiden müßt’
wie Eva einst – weil’s einfach ist.
15.
Zur Tochter sagt das Mütterlein:
„Du bist nun groß, hilf dir allein.
Willst du als Magd, als Köchin gehn?“
„Nein“, sagt sie da, „das ist nicht schön.
Ich werde binnen Jahresfrist
als Amme geh’n – weil’s einfach ist.“
16a.
Der Polizeichef von Berlin
Traf ’ne Verordnung, schneidig, kühn.
Stört jemand künftig den Verkehr**,
gibt’s kein Gefängnis, kein Verhör.
Es kommt sofort ein Polizist
und schießt ihn tot – weil’s einfach ist.
(Falls diese Strophe nicht mehr zutrifft, singt man folgende)
16b.
Passiert ein Mord, dann hört man nischt –
so'n Mörder wird nicht oft erwischt. –
Doch, wenn ein Händler in der Stadt
verbot’ne Ansichtskarten hat,
dann kommt sofort ein Polizist
und nimmt ihn mit – weil’s einfach ist.
*****************
’ne Frau vom sächs’schen Königshaus
gab jetzt die Memoiren raus.
Demnächst, da wird sie engagiert
und sie besingt, was ihr passiert
und ihr Gemahl, der Pianist
begleitet sie – weil’s einfach ist.
Der Michel und sein Nachbarsmann,
die fingen jüngst zu streiten an.
Jetzt ist’s vorbei, denn Michel sprach:
voll Stolz: „Der Klügere gibt nach!“
Nun kriegt der Michel nach dem Zwist
das kleinste Stück – weil’s einfach ist.
*Wiki: „Blumentage fanden in verschiedenen deutschen Städten in den Jahren ab 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs statt.
Am jeweiligen Tag wurde eine bestimmte Blume als Leitmotiv erwählt und für wohltätige Zwecke Kunstblumen gegen Geldspenden
verteilt. [...] Der Kornblumentag nutzte die im 19. Jahrhundert entstandene Bedeutung der Kornblume als preußische Blume und
Symbol des Deutschtums; Veranstalter waren oft Kriegervereine, und gesammelt wurde zum Besten kranker und bedürftiger
Veteranen der Einigungskriege.
** offenbar Anspielung auf Traugott von Jagow (1865-1941), Polizeipräsident Berlins von 1906 bis 1916 und seinen berühmt
gewordenen, per Plakat kommunizierten Kommentar zur Anmeldung einer linken Demonstration: „Die Straße gehört dem Verkehr. Ich
warne Neugierige.“