Das macht uns Freude!
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 232

1.
Das Allerschönste auf der Welt –
das ist die Freude.
Der Wein, die Liebe und das Geld –
das macht uns Freude.
Doch keine Freude kann so rein
als wie die Schadenfreude sein.
Geht's uns recht gut, das ist zwar schön,
doch andern muss es schlechter geht,
damit der andere uns beneide –
das macht uns Freude.

2.
Hab'n wir 'ne Wohnung schmuck und fein –
das macht uns Freude.
Dann lad'n wir alle Nachbarn ein,
das macht uns Freude.
Sagt die Frau Kunz dann zur Frau Hinz:
„Die schönen Zimmer – achte sind's!“ –
Und sagt Frau Hinz dann zu Frau Kunz:
„Ach, hier ist's schöner als bei uns
selbst die Tapeten sind von Seide.“
Das macht uns Freude.

3.
Trägt eine Frau den neuesten Hut,
das macht uns Freude.
Schau'n alle andern hin voll Wut,
das macht uns Freude.
Trägt sie 'nen Schmuck für 1000 Mark –
und hört zischeln: „Das ist stark!
Seht, wie die geht von Eleganz.
Wie kommt die aufgeblas'ne Gans
zu diesem Hut und dem Geschmeide?“ –
Das macht ihr Freude.

4.
Hab'n wir 'nen Onkel mit viel Geld,
das macht uns Freude.
Bleibt der recht lange auf der Welt,
das macht uns Freude.
Wir weinen sehr an seinem End' –
doch öffnen wir das Testament
und seh'n, wir haben sehr horrend.
Der Schafskopf hat sich nichts gegönnt,
dann ist es aus mit unserm Leide.
Das macht uns Freude.

5.
Sperrt mal der Schutzmann ein'n ins Loch,
das macht ihm Freude.
Entwischt er dann dem Schutzmann noch,
das macht uns Freude.
Seh'n wir 'nen Brand, das tut uns leid.
Jedoch ein Brand macht uns jetzt Freud',
das ist im Reichstag Heydebrandt.
Der ist in heller Wut entbrannt.
Und solch ein Brand auf dürrer Heide,
der macht uns Freude.

6.
Sind wir beim Wolkenbruch zu Haus,
das macht uns Freude.
Steht jemand ohne schon da drauß',
das macht uns Freude.
Seh'n auf der Straße wir 'ne Maid –
und selbst der Wind sich in ihr Kleid,
so dass wir, die dahinter gehn,
die Löcher in den Strümpfen seh'n
und etwas von dem Unterkleide –
das macht uns Freude.

7.
Wenn jemand hin fällt, das es kracht,
das macht uns Freude.
Wenn 'n Konkurrente Pleite macht,
das macht uns Freude.
Wenn's uns passiert, wär's ungerecht –
wenn der verliert, geschieht's ihm recht.
Tun andre Gutes, schweigen wir.
Doch Schlechtes eilt von Tür zu Tür
für jeden ist's 'ne Ohrenweide.
Das macht uns Freude.

8.
Kommt wer zu spät zum Zuge an,
das macht uns Freude.
Wenn 'n Aut'mobil nicht weiter kann,
das macht uns Freude.
Als Bülow jetzt in Deutschland war,
da war er freundlich – das ist klar.
Er hat Herrn Bethmann an gelacht,
doch heimlich hat er sich gedacht:
„Jetzt sitzt der andre in der Kreide.
Das macht mir Freude.“

9.
Lieb'n wir einmal 'ne junge Maid,
das macht uns Freude.
Wenn die sich dann 'nen andern frei,
das macht uns Freude.
Poussier'n mit einem Weibchen wir –
und treffen mal ihr'n Mann mit ihr –
wenn der dann ohne Ahnung spricht:
„Sie kenn'n wohl meine Frau noch nicht?
Darf ich Sie vorstell'n alle beide?“
Das macht uns Freude.

10.
Verliert den Zopf ein Mägdelein,
das macht uns Freude.
Tritt jemand in was Weiches rein,
das macht uns Freude.
Hab'n auf dem Schoß wir ein Kind –
und geben's, weil wir müde sind,
der Nachbarin auf ihren Schoß –
sagt die dann plötzlich: „Was ist los?
Mir wird so war auf meinem Kleide!“
Das macht uns Freude.

11.
Seh' ich 'nen andern Humorist,
das machte mir Freude.
Sagt man mir, dass der besser ist,
das machte mir Freude.
Jawohl, ich kenne keinen Neid.
Drum denk ich voll Bescheidenheit:
wenn er auch mehr wie ich gefällt,
so kriegt er nicht das halbe Geld,
als wenn ich hier Gesichter schneide.
Das macht mir Freude.

(Diese letzte Strophe kann auch folgendermaßen – oder ähnlich – variiert werden)
wenn er auch mehr wie ich gefällt,
er kriegt vielleicht noch wen'ger Geld.
Als wenn ich hier Gesichter schneide.
Das macht mir Freude.