Ei, wer tommt denn da?
Original-Vortrag. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/ Danner Nr. 285

1.
Wenn ein Kind vom Mutterauge treu bewacht,
Kaum ein Jahr, die ersten Gehversuche macht,
Wenn's zum ersten Male ohne Stütze steht,
Und dann schwanken, wankend, drei, vier Schritte geht,
Freut sich jeder, der's erblickt –,
Und die Großmama, entzückt,
Fängt den kleinen Bengel auf und singt beglückt:
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
Tomm doch her zur Omama und tomm zum Opapa."
Sie umarmt den Knirps und sagt: „'s ist wunderschön,
Du mein liebes, dutes Tind, nu tannste deh'n."
(Du mein liebes, gutes Kind, nun kannst du geh'n.)

2.
Der Herr Wilson schickte aus Amerika
Ein paar Truppen übers Wasser hier und da –
Und er selbst, der kräftig schimpfen nur gekonnt,
Will jetzt auch sein Heer besuchen an der Front.
Seine längliche Gestalt
Sehn die Preußen dann sehr bald,
Und sie rufen, daß es laut hinüberschallt:
„Ei wer tommt denn da, ei, wer tommt den da?
`s ist der liebe, dude Onkel aus Amerika."
Doch er geht nicht vor – er bleibt hübsch hinten steh`n,
(verächtlich) Die verdammten Preußen will er gar nicht seh`n.

3.
Ach, die Melodien vom Dreimädelhaus
Wachsen heute manchem schon zum Schädel 'raus,
Schubert selbst mußte abends auf der Bühne steh'n –
Und so wird's mit manchem andern auch gescheh'n,
Geht der Vorhang abends auf,
Rollt sich ab sein lebenslauf
Und das Publikum, es singt entzückt darauf:
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
's ist der Schubert,Schumann, Mozart, Liszt et cetera.
Die, die längst gestorben, kommen jetzt zur Welt,
Und die, die noch leben, holen sich das Geld.

4.
Manches Denkmal muß jetzt schmelzen in der Glut,
Und das ist für manches Denkmal riesig gut, -
Drum muß auch die Berolina aus Berlin
Als Kanonenfutter in die Fremde zieh`n.
Aus der Fern-Kanone jetzt
Wird sie nach Paris gehetzt,
Und dann rufen die Pariser ganz entsetzt:
„Ei wer tommt denn da, ei, wer tommt den da?
Liebe, dude Berolina tomm uns nicht zu nah."
Doch sie fliegt zum Clémenceau, Poincaré
Und bestellt `nen schönen Gruß vom Strand der Spree.

5.
`s wohnt ein Mädchen etwas außerhalb der Stadt,
Das, noch nicht verehlicht, schon `nen Knaben hat.
Sie kriegt oftmals Geld von 'nem gewissen Mann,
Eines Tages kommt der Spender selber an,
Sie holt schnell den Knaben her,
Der sieht grade aus wie er –
Und nun sagt er zum dem Knirps und freut sich sehr:
„Ei wer tommt denn da, ei, wer tommt den da?
Nun, wer tommt denn da zu mir, wen schickt mir die Mama?"
Doch der Bengel denkt sich, warum fragst du mich:
„Wer da tommt, das weißt du besser als wie ich."

6.
Weil die Kleider leider heute etwas knapp,
Gab ich kürzlich meinen besten Anzug ab,
Hab' für mich behalten nur den bill'gen Tand,
Denn was tut man nicht fürs teure Vaterland.
Kürzlich kommt ein feiner Mann,
Der hat meinen Anzug an.
Ich, der etwas plundrig aussah, sagte dann:
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
Bleib'n Sie steh'n, ich möcht' sie seh'n, ach, komm'n Sie etwas nah."
Doch der sagt und schaut auf mein Habit herab:
„Mit so'm Kerl wie Sie, da geb ick mir nich ab."

7.
Eine alte Jungfer träumt des Nachts im Bett,
Daß sie endlich einen Mann bekommen hätt'.
Da, ein Spitzbub' schleicht sich in ihr Zimmer sacht,
Häßlich, gräßlich sieht er aus - die Maid erwacht -
Sie traut' ihrem Auge kaum,
Denn an ihres Bettes Saum
Steht ein Mann - nun singt verliebt sie, halb im Traum:
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
's ist der liebe, dute Mann, den ich im Traume sah,
Tomm, mein Herzensdieb, der du mein Sehnen stillst,
Kannst dir alles von mir nehmen, was du willst."

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Zusätzliche Strophen auf der Schallplattenaufnahme

Ach im Reichstag gab es manches Hindernis,
auch der Zentrums-Turm bekam 'nen schweren Riß,
aber einer - Gott sei dank - kam wieder her,
und es ist aus Württemberg der Erzberger,
jetzt - die Sache war sehr fein -
zog er in den Reichstag ein
Und da sangen freudig sämtliche Partei'n:
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
Unser lieber Freund Matthias ist uns wieder nah'"
Doch er begab sofort zur rechten Seite sich,
dort umarmt er seinen Freund, den Helfferich.


Der Professor Steinach erfand nun ein System,
das verjüngt uns Leib und Glieder wie vordem.
Manche Frau sagt nun verschämt zu ihrem Mann,
fahre nach Wien, komm' mit 'ner neuen Drüse an,
unser alter Großpappa,
der war auch beim Steinach da,
kam als Junger an und alle schrien "Hurra!";
„Ei, wer tommt denn da, ei, wer tommt denn da?
Dieser kleine hübsche Bub ist unser Opappa,
Mußt zur Schule geh'n und wirst noch jünger schnell,
in der nächsten Woche fährst du Karusell."

Auch der Michel braucht 'ne Verjüngungskur,
denn der tut so als von Jugend keine Spur,
Der Franzos' besonders droht ihn stets erneut',
dabei fürchtet er ihn insgeheim noch heut',
Drum wenn man dir Unrecht tut,
Michel, werde jung - hab' Mut,
Dann staunt der Franzos' und singt mit leiser Wut:
„Ei, wer kommt denn da, ei, wer kommt denn da?
Ist denn das der alte Michel, den ich sah' in Spa,
Michel merk, schau nicht so hundertjährig drein,
brauchst ja gar nicht jünger als wie Siebzig (1870) sein.

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