's ist ein Geheimnis von Berlin
Original-Vortrag. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 385
1.
Ich lieb' Berlins diskrete Weise,
Berlin plauscht kein Geheimnis aus.
Oft machen zwei 'ne Hochzeitsreise
Und jeder kommt allein nach Haus.
Erst sind sie glücklich und zufrieden,
Doch kaum sieht man ein Jahr entflieh'n,
Wieviel sind dann dahin-„geschieden“? —
(Hierauf macht das Orchester oder der Pianist „Pst!“, Dann singt der Vortragende den Kehrreim)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
2.
's gibt ständig Aut'mobilgeratter -
Man rast vorbei mit flücht'gem Gruß.
Wer kein Geld hat, ein Auto hat er -
Wer imponiern will, geht zu Fuß.
Im Auto sitzen sie und prahlen,
Red'n ohne Stocken, ohne Müh'n -
Doch wieviel stottern - beim Bezahlen? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
3.
's gibt dort durch Staates-Unterstützung
'ne große Dichter-Akad'mie –
man weiß, die Herr'n hab'n mal 'ne Sitzung,
man weiß, 's ist jeder ein Genie.
Und manchem ward für früh're Sachen,
man weiß, der Nobelpreis verlieh'n, –
doch was die Herren sonst noch machen, („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
4.
Vom Einstein kennt man sein Gesichte -
Sein Bild war ja in jedem Blatt,
Las von der Villa die Geschichte -
Man liest, er reist, 's fand'n Feiern statt -
Man liest, er hat Musik getrieben —
Kurz, man liest vieles über ihn,
Bloß nichts von ihm, was er geschrieben. („Pst!“)
's ist ein Geheimnis -- 's ist ein Geheimnis von Berlin.
5.
Der Liebling von Berlin ist Tauber
Der gottbegnadete Tenor —
Singt jeden Abend hell und sauber,
Tritt auch mal nicht auf – das kommt vor.
Ein Herr pries seiner Stimme Zauber,
Obwohl da Tauber nicht erschien, —
Der merkte nichts — 's war auch ein „Tauber“. („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
6.
Im Reichstag kann man aus- und eingeh'n,
der Sitzungssaal ist gar nicht klein –
mehr als vierhundert könn'n da reingeh'n –
so viel, die reingeh'n, gehen nicht rein.
Nicht jedes Mitglied ist vertreten –
wohin mög'n manche sich verzieh'n
und wo verzehr'n die die Diäten? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
7.
Das Nachtgespenst bracht' manchen Jammer –
'ne Frau war kürzlich mal verreist,
Kam jäh zurück — aus seiner Kammer
Huscht 'ne Gestalt, weiß wie ein Geist.
Von einem Nachtgespenst, 'nem bösen,
Spricht er - sie aber hat geschrien,
Es war ein Nachtgesponst gewesen. („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
8.
's gibt Abendblätter, die verbreiten
in Fortsetzungen, wochenlang,
Enthüllungen aus alten Zeiten,
Entschleiern jeden Lebensgang
bring'n serienlange Hofgeschichten,
schau'n durch geschloss'ne Jalousien –
Wer mag ihn'n das wohl bloß berichten? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
9.
„Berlin hat's eilig“, sag'n die Leute —
Doch, wenn wir uns 'ner Brücke nah'n,
Schau'n in die Spree noch Hundert heute,
Fährt unten durch ein – Äppelkahn.
Die stundenlang dort schauen taten,
Was hab'n die wohl für Phantasie'n?
Das kann ein Fremder nicht erraten. („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
10.
Sehr schön ist das Berliner Rathaus,
da lebte mancher nicht zu knapp.
Ach, in dem Rathaus ging der Draht aus –
man hält viel Sitzung’n jetzt dort ab.
Doch manche Herr’n, einst hohe Spitzen,
sieht man nicht mehr zur Sitzung zieh’n.
wo mög’n die sein, wo mög’n die „sitzen“? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
11.
Festspiele gab's, man spielte feste
Im schönen Mai — das war sehr fein -
Man amüsierte sich aufs beste,
Selbst Fremde soll'n gekommen sein,
Die bummelnd durch die Straßen liefen -
Doch die Hotels blieb'n leer, wie's schien -
Wer weiß nun, wo die Fremden schliefen? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
12.
's gibt in Berlin Salons für Kenner –
die Schönheit-Institute sind's,
der werden schön und schlank die Männer,
besonders die aus der Provinz.
Da gibt's Salons für Maniküren,
Fußpflege gibt's bis zu den Knien, –
und weiter oben das Massieren – („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.
13.
Berlin beherbergt viel Nationen –
im Zentrum sind sie permanent.
Im Osten soll’n viel Polen wohnen,
im Süd’n die Leut’ vom Orient.
Im Norden wohnen Ungarn, Wiener,
im Westen russ’sche Kolonien –
Wo wohn’n denn nun bloß die Berliner? („Pst!“)
's ist ein Geheimnis — 's ist ein Geheimnis von Berlin.