Die ganze Geschicht', die lohnt sich nicht
Original-Vortrag. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 377

1.
Wie plagt man sich manchmal im Leben!
Man hat sich unendliche Müh'
Mit irgend 'ner Sache gegeben,
Im Augenblick ist sie perdü!

Die ganze Geschicht – die lohnt sich nicht –
Da ist zum Beispiel ein Komponist -
Der schreibt 'ne Op'rette seit Jahresfrist -
Kriegt wunde Pfoten - er stiehlt nach Noten —
von Millöcker, Strauß - von der Fledermaus -
Von Lehar und Fall — von überall —
Von Offenbach nimmt er's — und von Suppe —
Und nimmt selbst von sich 'ne ganz kleine Idee -
Und schreibt sich ein Jahr lang die Finger krumm —
Für wen und warum? — Fürs Publikum!

Und dann kommt die Premiere und kein Applaus,
Und er steht hinten, man ruft ihn nicht raus -
Am nächsten Abend, ein leeres Haus —
Aus!

2.
'ne Frau, noch von früherem Schlage,
So 'n richtiges Heimchen am Herd,
Die sagt mir: „Es ist eine Plage,
Das Kochen hat gar keinen Wert.“

Die ganze Geschicht, – die lohnt sich nicht —
Schon morgens geht's los - man kauft alles ein -
So billig, wie's geht - und gut muß es sein -
Und dann geht's in die Küche - fünf Stunden am Fleck -
Mit Fisch und mit Fleisch — mit Eiern und Speck —
Mit Kümmel und Salz — mit Butter und Schmalz—
Mit Milch und mit Mehl - mit Essig und Öl -
Mit Zucker und Zimt - und was man so nimmt -
und für wen das alles? - Für einen bloß -
 kommt um eins — und frißt drauflos -
Bedankt sich gar nicht - das muß so sein -
Wie schön das gemacht ist — sieht er nicht ein —
Diese ganze Plage — wovon man nichts hat —
Denn die Frau, die wird schon vom Kochen satt -
wem nutzt alles dann?

Doch bloß dem Mann!
Die fünf Stunden Arbeit, den schönen Schmaus,
Den frißt er in fünf Minuten aus—
Dann steht er auf, und dann muß er raus —«
Aus!

3.
Wie muß sich ein Boxer heut plagen,
Hat monatelang erst trainiert,
Muß jedem Vergnügen entsagen,
Dann wird er zur Schlachtbank geführt. —

Die ganze Geschicht, die lohnt sich nicht —
Der Tag kommt ran - und die Freunde komm'n an -
Und mühen sich sehr - und richten ihn her -
Denn schön muß er aussehn — vor dem Malheur —
Und nun wird er rasiert — und fein frisiert —
Und sie machen ihn eitel - und schön und schick -
Und ziehn ihm den Scheitel — bis ins Genick —
Und beschmiern ihn mit Teint — und spritzen Parfüm -
Und trocknen mit Fön — und nun riecht er so schön —
Und knipsen ihn vorher — in Schönheit und Kraft
— denn wie er nachher aussieht - ist zweifelhaft -
Und dann schieb'n sie ihn raus - in das volle Haus -
Und er lächelt so freundlich - und so schön sieht er aus -
Doch das schöne Gesicht — das lohnt sich nicht.
Wer macht ihm ein End'? Der Konkurrent!

In fünf Minuten, da knallt's schon laut -
Die schöne Visage — total versaut,
Er kriegt knock und knock, er fällt, und der haut -
Out!

4.
Durchfliegt man heut achtlos 'ne Zeitung,
Bedenkt man wohl selten einmal:
Wie plagt sich da täglich die Leitung
Mit samt dem Betriebspersonal!

Die ganze Geschicht' – die lohnt sich nicht-
Was herrscht für 'n Betrieb — in 'ner Redaktion —
Die Setzer - die Drucker- die Expedition -
Und sechs Redakteure - die sitzen umher – und einer steht -
's der Sitzredakteur – Und da wird nun geschrieben — in einem fort —
Ein großer Artikel - von Mode und Sport -
Und von Kunst ein ganz kleiner —
Denn das liest ja doch keiner
Und Politik — und Börsenkritik -
Und dann der Roman — was wird da getan!
Wird rumgestrolcht und heimlich erdolcht —
Und »Fortsetzung folgt« -
Und Telegramme - Erdbeben-Malheur -
Mit tausend Toten - wolln Sie noch mehr? -
Zweitausend Mann - kommt gar nicht drauf an -
dann das Lokale — mit Raub und Mord—
die Leiche habn sie — der Mörder ist fort —
und noch zehn Seiten - mit Schwindel und Pleiten -
und Sterbefällen - 's wird alles gebracht,
was uns morgens beim Kaffee — Vergnügen macht.
und könn'n sie's nicht schildern — dann bringn sie's in Bildern -
die sind oft so schön — so schwarz auszusehn —
ist kein Hindernis — 's steht ja drunter, wer's ist-
Und so gebn sie sich Müh — bis morgens früh
Und wer kriegt's in die Hand? Der Abonnent!

Der überfliegt's fünf Minuten in irgend 'ner Eck
Dann läßt er's Blatt liegen auf irgend 'nem Fleck-
Oder er nimmt's noch zu irgend 'nem Zweck--
Weg!

5.
Es haben zwei achtbare Leute
'ne Tochter, 'ne einzige bloß,
Sie stehen ihr sorgend zur Seite,
Kein Opfer ist ihnen zu groß.

Die ganze Geschicht' – die lohnt sich nicht -
Da gebn sie sich Müh — und sparen für sie —
Und ziehen sie groß - ganz makellos -
Als Stolz der Familie - sie ist wie 'ne Lilie -
Mit zwanzig Jahren - ganz unerfahren -
Und sie lull'n sie in Schlaf— vor dem Großstadtgeräusch
Und sie halten sie brav - und halten sie keusch -
Und halten sie fern — vor allen Herr'n —
Und halten auf alles die schirmende Hand —
Und hoffen im stillen: - „Wir bleiben bei'nand' -
's kommt hoffentlich keiner — der ihr frommt!“
Und dann kommt doch einer — wie das so kommt! —
Und dann sagen sie bloß:
„Nun sind wir sie los. —
Habn zwanzig Jahre - gedarbt, gespart -
Wir habn sie wie eine Lilie bewahrt. —
Und wer hat den Lohn? Der Schwiegersohn!“

Der kriegt sie, sie zahln ihm die Mitgift aus -
Die Hochzeitsgäste sind noch nicht raus,
Da schleppt er die „Lilie“ mit nach Haus –
Aus!

6.
Es reden in Genf oft hienieden
die Herr'n von der Weltpolitik:
„Der Krieg wird bald ruhen in Frieden –
der Frieden siegt über den Krieg.“

Die ganze Geschicht', – die lohnt sich nicht –
da reden sie lang – und reden so fein – und mal spricht Briand –
mal Chamberlain – und mal fahren sie her – mal fahren sie in –
mal sind sie draußen – mal sind sie drin – mal komm'n sie zurück –
mal komm'n sie an – mal wandert nach Genf – Herr Stresemann –
und mal hat Herr Müller – dahin gemusst –
denn das Wandern ist des Müllers Lust – und so geb'n sie sich Müh' –
unter wen schaffen sie? – Wem ackern sie 's Feld? Der ganzen Welt!

Und was macht die Welt? Sie schafft ihnen Verdruss –
wenn sie drinnen noch schweigen im Friedensgenuss,
tönt draußen von irgendwo her ein Schuss.
(Ein Pistolenschuss ertönt hinter der Szene.)
Schluss!

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