Wir hab'n uns eingedeckt
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 323

Ach, die Zeiten sind nicht heiter,
immer schlechter wird die Welt.
Jeder denkt: „Wie komm' ich weiter
und wie rette ich mein Geld?“
Auch ich hatt' die gleiche Plage
und mein Schädel tat mir weh,
denn ich kam fast alle Tage
auf 'ne andere Idee.

Jawohl – die ganze Welt, die hat 'nen Koller –
der Kopf wird einem immer voller –
's wird immer doller mit dem Dollar –
und wenn er wirklich auch mal fällt –
er gilt viel mehr als unser Geld. –
Und so geht's mit allen anderen Papieren –
drum will alle Welt jetzt spekulieren –
keiner will sein Geld verlieren – jeder macht in anderen Papieren.
Und so ging's auch mir samt meiner Familie –
meine älteste Tochter, die blonde Ottilie –
die machte in Franken mit fiebernder Miene –
eine zweite Tochter, die süße Rosine,
die spekulierte in holländ'schen Gulden
meine dritte, die Hulda, die hatte Schulden
die wollte an englischen Pfunden gesunden.
Mit einer vierten, mit Kunigunden,
da hatte ich meine besondere Last,
die hatte poln'sche Papiere gefasst
die ging mal rauf und mal gingen sie unter
nun war sie mal traurig und mal war sie munter
meine Schwiegermutter, Gott, soll sie schonen
die kaufte 'nen Zentner öst'reichische Kronen
die will nun, sie kann die Bürde nicht fassen
die Stuben damit tapezieren lassen.
Ich kaufte Dollars samt meiner Alten
aber wir hab'n die nicht lange genug behalten.
Überhaupt, die ganzen Papiere sind nicht mehr vorhanden
wir hab'n sie verkauft, die sie unten standen
nun stand'n wir auch unten, im Beutel ein Loch
und bloß die öst'reichischen Kronen, die hatten wir noch
die ganze Familie war verkracht
wir alle hab'n in Papieren gemacht.
Bloß unsre Kleinste war schlauer als wir
die macht auch, aber ohne Papier – –

Da wird man doch bös, sehr bös, sehr bös,
die heutige Zeit, die macht uns nervös.

Als den Schreck wir überwunden
und von neuem Geld erspart,
habe ich herausgefunden
eine Rettung and'rer Art.
„Kinder“, sprach ich, „jeder freue
sich mit mir und ruf' Juchee,
denn ich habe eine neue,
eine bessere Idee.“

„Jawohl“, rief ich. „Juchee! – Ich hab 'ne Idee.
Mit dem Spekulieren
kann man nur Geld verlieren.
Das beste wird sein: wir brauchen kein Geld, bedecken uns ein.
's wird alles noch teurer jeden Falles
wenn der jetzt kaufen, haben wir später alles.
Nun haben wir alles ausgegeben
und uns eingedeckt fürs ganze Leben.
Unsre Wohnung ist jetzt ein Warenlager:
10 Zentner Schinken, halbfett, halb mager
5 Zentner Tee,10 Zentner Kaffee
20 Säcke mit Mehl hab'n wir hingestellt
wir sind vermehlt bis zum Ende der Welt
1000 Flaschen mit ihr, die löschen den Durst
3000 Meter Knoblauchwurst
10 Büchsen mit Senf, da schmecken sie netter
wir haben 10 Zentner Lorbeerblätter
nun werden sie ungefähr wohl wissen,
wie viel Heringe wir da haben müssen.
20 Säcke Nudeln, ein riesiger Haufen
da brauchen wir keine Kartoffeln zu kaufen
wir wollten auch Harzer Käse kaufen
aber der wäre uns später doch weggelaufen
wir haben 100 Sack Zucker, Gott sei Dank
bist der alle ist, sind wir zuckerkrank.
Wir schafften Liköre und Eier her
und Eier-Likör und sonst noch mehr.
Wir kauften Pfeffer und Salz wie toll
Konserven,10000 Büchsen voll
wir können schlecken, wir können Schmatzen
wir können fressen, bis dass wir platzen.
Wir kauften auch sonst alles mögliche ein:
10000 Zahnstocher, spitz und fein.
Bis die alle sind, fehl'n uns die Zähne gewiss
wir kauften für jeden ein falsches Gebiss
für jeden eins
wir vergaßen keins
Für die Frau nicht, die hat schon eins.
Ich kaufte Bilder, die werden ja nicht schlechter
ich kaufte Betten für Frau und Töchter
ich hab ihnen neue Möbel gegeben
ich hab sie vermöbelt fürs ganze Leben
ich kaufte sogar noch 'nen Kinderwagen
vielleicht kommt der Storch noch, wer kann das sagen
ich habe sogar 'nen Zweisitzer genommen
denn es wäre ja möglich, dass Zwillinge kommen
ich kaufte Klaviere mit weißen und schwarzen Tasten
zwei Grammophone, 'nen Leierkasten
ich kaufte Damen- und Herren-Gard'roben
und Wäsche, 's wird alles aufgehoben.
Auch unsre Hemden heben wir auf
im Schrank natürlich – mit Kampfer drauf
ich hab 100 Fuhren Kohlen im Keller
ich kauft' für die Küche Schüsseln und Teller
hab 100 Töpfe nachhause gebracht
für den Tag, für den Abend und für die Nacht.
10 Dutzend Kämme liegen am Platze
bis die alles sind, hab'n wir alle 'ne Glatze.
Wir hab'n Odol, für die Zähne das rechte
auch Lysol, wenn sich einer vergiften möchte
Toiletten-Papiere,10000 Rollen
wir können laufen, soviel wir wollen.
Ich kauft' 1000 Zeitungen, um zu lesen
die sind zwar alle vom gleichen Tag gewesen
aber ich kauft' sie noch billig, drum nahm ich sie hin
es steht ja doch alle Tage dasselbe drin
ich kauft' 1000 Briefmarken, Stück für'n Groschen
der Preis ist heute noch nicht erloschen
man braucht bloß ein paar Dutzend mehr als früh'r
sie sehen, an alles dachten wir.
Wir haben uns das Leben bequem gemacht
wir haben sogar schon ans Ende gedacht.
Wir kauften Särge, 'nen ganzen Posten
man weiß ja nicht, was die später kosten.
Wir hab'n sie noch billig, bequem und schön
wir können getrost in die Zukunft seh'n
und spür'n wir: nun wird's zu Ende sein
dann gehen wir rin und legen uns rein
wir werden von den andern hübsch zugedeckt
dann hab'n wir uns richtig eingedeckt
wir liegen darin wie eingeweckt
und am jüngsten Tag werden wir aufgeweckt...

Das ist doch famos, famos, famos –
das heutige Leid – wir wurden es los!