Die Schweinenoth

Original-Potpourri von Otto Reutter

Teich/Danner Nr.112

Auftrittslied


Ach, mir ist mein Kopf so schwer,
zu bedauern bin ich sehr,
weil ich Armster – O Malheur –
überall das selbe höh.
Ach, es ist doch eine Noth,
's ist ne allgemeine Noth,
jeder klagt mir seine Noth,
schildert mir die Schweinenoth.

Prosa.

Jawohl, jetzt hat sich in der Tat
der schöne Spruch bewährt:
erst wenn man was verloren hat,
erkennt man seinen Werth.

Vom Schwein wird in den letzten Wochen,
sehr viel und überall gesprochen –
wo man auch hinkommt – aller wegen,
der eine für – der andere gegen –
stets steht dies Thema auf der Liste –
oh, wenn das dumme Vieh das wüsste,
müsst's da nicht stolz und eitel sein?
Doch nein – dann wär es ja kein Schwein!

Gesungen.

Verschied'ne Stimmen nenn ich jetzt,
dagegen und dafür –
ein Mann, halb Praktikus, halb Protz,
der sagte jüngst zu mir:

„Da streiten sich die Leut herum
Wohl um den Wert des Schweins –
ich finde die Sache viel zu dumm –
ich esse einfach keins.
Ich jage Austern, Kaviar
und Hummer in den Bauch.
Die Sachen schmecken fein für war
und billiger sind Sie auch!“

Ein Theologe, halb entrückt
dem Weltgetriebe schon,
nimmt seinen Standpunkt ein – er singt
in pastoralem Ton:

„Stets ohne Fleisch sei die Devise –
ihr lieben Leute, denkt daran!
Schon Eva bot im Paradiese
kein Fleisch – Nein, einen Apfel an.
Drum bitte ich euch, meine Lieben,
seit eurer Pflicht euch stets bewusst,
bedenke stets, es steht geschrieben:
enthalte euch der Fleischeslust!“

Ein armes Dorfschulmeisterlein
von draußen auf dem Land,
das singt, weil ihm das Fleisch
vom Hörensagen nur bekannt:

„O Schweinenoth, o Schweinenoth!
Ich kann dich nicht ermessen –
ich hab, wie's Fleisch noch billig war,
auch niemals was gegessen.
Auch meine Bauern schickten mir
kein Fleisch und keine Wärschte –
bloß wenn Trichinen drinne war'n,
da kriegt ich stets das Merschte!“

Ein bied'rer Metzgermeister, ach,
der ist jetzt übel dran.
Er singt, weil er das teure Vieh
nicht mehr bezahlen kann:

„Sie sehen in mir nen armen Schlachthauspächter,
Ach, einem Schlächter geht's jetzt täglich schlechter.
Wir werden uns schon auf die Droschkenpferde,
das ist das Los des Schönen auf der Erde.
Ein Glück ist's, dass das Aut'mobil erschienen –
nun kann das Schlachtross doch als Rossbeaf dienen,
ihr hätten ja ne ganze Menge Schweine –
nur manche hab'n – zu wenig eine!“

Jüngst traf ich mal den kleinen Cohn,
da hab ich ihn gefragt:
„Was mein'n Sie zu der Schweinenoth?"
Da hat er mir gesagt:

„Mich darüber zu äußern, das fällt mir nicht ein –
wir essen ja sowieso nix vom Schwein!“

Ein Dichter aus der neu'sten Zeit,
halb Wahnsinn, halb Genie –
macht ein Gedicht gleich voller Freud
auf das beliebte Vieh.

Gesprochen.
(Es erhöht die Wirkung, wenn der Pianist den Monolog des „Dichters“ recht charakteristisch begleitet. Bei den Stellen: oh nein es grunzt – Der Henker naht – ein lauter Schrei – eine röcheln noch – es ist vorbei – kann durch entsprechendes anschlagen der Tasten ein gesteigerter lach Erfolg erzielt werden.)

Jawohl, ein Dichter, einer von den Herr'n,
die immer aktuell und hochmodern,
der findet dieses Thema gar nicht schwierig,
wirft sich begierig auf die Schweine-Lyrik –
ein Borstenvieh ist jetzt sein Pegasus.
Er widmete ihm den folgenden Erguss:
(hier beginnt ganz leise und zart die Musik, während der Vortragende mit Pathos weiter spricht)
ich pries sonst meist die Nachtigall,
denn Ihrer süßen Lieder Schall
drang mir oft tief ins Herz hinein.
Doch jetzt – jetzt Preise ich das Schwein
ein Schwein sieht zwar auf keinen Fall
just aus wie eine Nachtigall –
es hüpft auch nicht von Ast zu Ast –
nein, es bevorzugt den Mor-Ast.
Es sinkt auch nicht – oh nein, es grunzt,
na, das ist schließlich auch ne Kunst.
Doch immerhin – man mag im Leben
der Nachtigall den Vorzug geben.
Doch stirbt die mal von ungefähr,
dann geht sie hin und singt nicht mehr.
So'n toter Vogel hat kein'n Zweck –
wenn der mal weg ist, ist er weg.
Doch wenn ein Schwein sich hin gegeben,
dann fängt's erst ein für uns zu leben,
dann erst beginnt die Poesie
Ei diesen unscheinbaren Vieh.
Ach, alles was es einst besessen,
das wird von uns hinein gegessen –
das dienet uns zur Sättigung –
's ist fast wie Seelenwanderung.
O wie bescheiden ist so'n Schwein –
es trachtet nicht nach äußeren Schein,
es läuft einher in schlichtem Kleid,
ist gänzlich frei von Eitelkeit.
Beim Essen ist's nicht wählerisch,
stets ist es alles auf bei Tisch,
wenn's auch noch so gering erscheint.
Auch ist das liebe Vieh kein Freund
von blank gescheuertem Parkett –
es findet jeden Boden nett.
Und solch ein Tier, es tut mir leid –
stirbt in der schönsten Jugendzeit.
Meist in der früh – das Morgenrot,
es leuchtet ihm zum frühen Tod,
der Henker naht – ein lauter Schrei –
eine röcheln noch – es ist vorbei.
Dann strahlt's in Glorie und zum Lohne
steckt man ins Maul ihm die Zitrone!“ (Tusch.)

Gesungen.

Ein Vegetarier, dem allein,
die Pflanzenkost behagt,
der interessiert sich nicht fürs Schwein
er pfeift darauf und sagt:

„Da machen die Leut ein Gekreisch,
ein jeder läuft jetzt nach dem Fleisch.
Wo irgend ein Schwein nur zu seh'n,
da sieht man die Leute hingeh'n.
O Menschenkind, präg es dir ein:
man läuft nach dem Fleisch nicht allein,
O nein, denn gerad nach dem Obst
da loofst du noch mehr, wie du gloobst!“

ne brave, arme Bürgersfrau
wie's deren viele gibt,
die kocht jetzt nur noch wenig Fleisch
und singt nun ganz betrübt:

„Ach Gott, ach Gott, mein armer Mann,
der dauert mich so sehr –
er ist so blass, er ist so schwach,
er geht so matt einher.
Seitdem er wen'ger Fleisch bekommt,
da manget's ihm an Kraft –
er hat gar keinen Arbeitstrieb
und keine Leidenschaft.
Wie oft sag ich zu meinem Mann:
„Erfülle deine Pflicht!
Und arbeit wie sich das gehört.“
Er tut es leider nicht.
Er schaut nur auf den Teller rauf
und macht nen Riesenkrach,
er sagt: „Mein Geist ist willig,
doch's Fleisch ist etwas schwach!“

Zum Schluss kommt ein Minister an,
man kennt ihn weit und breit,
der stellt sich vor die Grenze hin
und singt voll Fröhlichkeit:

„Oh du wunderschönes, deutsches Schwein,
du sollst ewig Deutschlands Zierde sein!
Die fremden Schweine komm'n mir nicht hinein,
fest steht und treu die Wacht, die Wacht vor'm Schwein!“

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