Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr.53
In der früheren Zeit
war es schöner als heut,
da gingen die Männer noch jung zum Altar,
die Jünglinge waren
noch nicht so erfahren –
Sie liebten das Mädchen noch innig und wahr.
Sie reichten die Hand sich:
er war fünfundzwanzig.
Das Mädchen war zwanzig – so muss es auch sein –
dann schlugen in Flammen
die Herzen zusammen,
und später, da stellten die Kinder sich ein.
Doch unsere Männer, –
darin bin ich Kenner –
die warten zu lange – das weiß ich genau –
schon Jahre lang üben
sie vorher das Lieben –
wo bleibt denn die Liebe nachher für die Frau?
So 'n Leben, das rächt sich,
der Mann, der ist sechzig
und möchte ein Mädchen von zwanzig sich frei'n –
er zählt zu den Reichen –
sie lässt sich erweichen –
Sie feiern die Hochzeit, sind „endlich allein“,
Sie machen 'ne Reise
in üblicher Weise,
Sie steigt ins Coupé, sagt zu ihm: „Gute Nacht!“
Und er sagt zum Weibchen:
„Bis morgen, mein Täubchen!“
Ja, so wird'ne Hochzeit von heute gemacht!
In früherer Zeit
war es schöner als heut,
da wurde die Klassik geachtet, geehrt –
doch jetzt nahm die Dichtung
'ne andere Richtung –
so 'n Schiller, so 'n Goethe sind gar nichts mehr wert.
Erst neulich, da saß ich
im Café – da las ich
'nen Witz in den „Fliegenden Blättern“, der heißt:
der Goethe! Ich flöte!
Der Schiller! Getriller!
Der Lessing ist Messing – der Kleist – ohne Geist.
Die Dichter von heute
sind glückliche Leute –
da komm'n zwei zusammen – die Schreiben ein Stück –
das geht wie im Takte
ein jeder zwei Akte –
die kleb'n Sie zusammen – damit hab'n Sie Glück.
Zuerst kommt 'ne Gegend,
wo's ordentlich regnet –
'ne richtige Handlung ist oft gar nicht drin.
Dann kommt 'ne Verwandlung
und noch keine Handlung –
das ist ganz egal, denn die Leute geh'n hin!
Zum Schlusse, da kriegen
Sie sich mit Vergnügen –
das Publikum klatscht und der Dichter der lacht:
auf Lorbeer verzicht ich –
's Geschäft, das ist richtig –
ja, so wird ein Lustspiel von heute gemacht!
In früherer Zeit
war es schöner als heut,
als Adam gewesen noch im Paradies –
er schlummerte sachte –
und als er erwachte,
da sah er die Eva so hold und so süß,
sie lag unterm Baum –
's war ihm wie ein Traum –
der Adam sprach freudig, als er sie besaht
sie ist ausgewachsen –
da gibt's keine Faxen –
sie ist fix und fertig – 's ist alles gleich da!
Doch unsere Frauen,
die soll'n sie mal schauen.
Das währt zwanzig Jahr, dann sind sie erst gross –
und sind sie mal dreissig,
dann woll'n Sie – das weiß ich –
sich selbst noch verbessern – da hab'n Sie was los!
Da krieg'n Sie noch Zähne,
da werd'n sie erst scheene –
da wächst noch ein Zopf – aber echt ist ja nicht –
und fehlen die Waden,
Rep'rir'n Sie den Schaden –
Hier vorn kommt was rein – damit „brüsten“ Sie sich –
die Taille wird enge –
da gibt's ein Gezwänge –
auf einmal, da platzt was – es hat was gekracht –
und er steht daneben
und denkt: Sollst leben!
Ja, so werd'n die Frauen von heut gemacht!