Das find' ich reizend von der Frau!

Original-Couplet von Otto Reutter

Teich/Danner Nr.140

1.
Frau Potiphar rief einst den Joseph
verliebt und lüstern zu sich ran.
Jedoch er sprach: „Ich bin zu schüchtern."
Das find' ich komisch von dem Mann.
Sie sprach: „Komm her zum Abendschmause
und bleibe bis zum Morgengrau!
Tu' ganz, als sei'st du hier zu Hause."
Das find' ich reizend von der Frau!

2.
Zur Riesendame in die Bude
kommt ein ganz dürres Schneiderlein –
kneift sie verliebt in ihre Wange,
befühlt den Arm und auch das Bein –
Doch die, nicht faul – sie schlägt ihn nieder,
haut seinen Rücken braun und blau
und sagt: „Beehr'n Sie mich bald wieder!"
Das find' ich reizend von der Frau!

3.
Ein Mann, schon alt, doch sehr bei Kasse –
nimmt sich ein Weib, das ihm gefällt.
Sie - voller Jugend – ohne Tugend –
verpraßt ihm nun das ganze Geld.
Und als er dicht vor'm Pleitemachen,
rückt sie ihm heimlich aus dem Bau,
versetzt ihm noch die letzten Sachen.
Das find' ich reizend von der Frau!

4.
's ward ein Beamter nicht befördert.
Das wollt ihm gar nicht aus dem Sinn.
Da sprach sein junges Weib: "Ich geh mal
zu deinem Vorgesetzten hin."
's g'lang ihr auch, dies durchzuführen;
als sie zurückkam, sprach sie schlau:
"Hab keine Angst, wirst avancieren!"
Das find' ich reizend von der Frau!

5.
Herr Schulze schleicht zur Damenkneipe,
possiert dort mit der Kellner-Maid –
zahlt Austern, Sekt – gibt reichlich Trinkgeld.
Macht dann zum fortgehen sich bereit.
Da hat die Hand sie hingehalten:
„Schenk 100 Mark, sonst gibt's Radau –
Sonst schreib ich alles deiner Alten.“
Das find' ich reizend von der Frau!

6.
"Ich hab", so sagt mir ein Bekannter,
"ein braves Weibchen – auf mein Wort!
Sie kokettiert zwar mit 'nem andern
und reist mit ihm auch manchmal fort.
Daß sie oft fortreist, drückt mich nieder,
doch sie ist trotzdem treu, denn schau,
sie kommt doch schließlich immer wieder."
Das find' ich reizend von der Frau!

7.
Es sucht ein Kaufmann durch die Zeitung
'ne junge Dame für's Kontor.
Nun stellen sich am nächsten Morgen
verschied'ne Mädchen bei ihm vor.
Er sagt zu seiner Frau: "Was meenste,
wen soll ich nehm'n?" Da sagt sie: "Schau,
nimm diese hier - das ist die Schönste."
Das find' ich reizend von der Frau!

8.
"Mein Weib ist jung und gar nicht häßlich",
sprach jüngst mein Freund, "doch denke dir,
sie denkt an nichts, ist zu vergeßlich."
Ja, die vergißt viel, dacht' ich mir,
denn als ich mal bei ihr gesessen
an einem Abend schwül und lau,
hat sie sogar sich selbst vergessen –
Das fand ich reizend von der Frau.

9.
Bei einem Ehepärchen meldet
sich SEINE Schwiegermutter an.
Jedoch statt ihr kommt 'ne Depesche,
schnell öffnet sie der Ehemann,
zerdrückt im Auge eine Träne
und sagt: „Die Sache ist sehr flau,
sie kann nicht komm'n – sie hat Migräne.“
Das find' ich reizend von der Frau!

10.
Sarah Bernhardt – jeder weiß es –
war eine große Künstlerin.
Doch auf der Höhe ihres Ruhmes
da kam sie nie nach Deutschland hin.
Erst, als ihr Rom beinah versiegend,
da kam Sie zu uns, alt und grau.
Sie sprach: „Für Deutschland ist's genügend.“
Das find' ich reizend von der Frau!

11.
Jüngst starb die Kön'gin Isabella
von Spanien – wie Sie wohl gehört.
Die kriegte einst die Tugend-Rose –
wofür – ist noch nicht aufgeklärt.
Ganz ohne Unterschied des Standes
liebt Sie die Männer, schlicht und rauh –
sie war oft Mutter – ihres Landes.
Das find' ich reizend von der Frau!

12.
Ein Seemann - drei Jahr fort gewesen –
zieht endlich in die Heimat ein,
begrüßt sein Weib und fragt mit Beben:
„Was machen unsre Kinderlein?
Sind sie noch alle wie vorher da?"
„Gewiß", sagt sie, „es stimmt genau –
im Gegenteil, 's ist noch eins mehr da."
Das find' ich reizend von der Frau!

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