Warum woll'n Sie denn schon gehn? Es wird ja jetzt erst schön!
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr.246

1.
Im Wirtshaus sitzen abends viele Gäste –
sie unterhalten sich aufs allerbeste.
Meist sind es Junggesell'n – die haben Zeit.
Nur einer sitzt dabei – der hat gefreit.
Von acht Uhr ab, da wird er ungeduldig.
Er zahlt ein Bier – das zweite bleibt er schuldig.
Er nimmt den Hut und will zur Türe hinaus,
da rufen Die andern Gäste aus:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Doch der sagt: „Ich bin krank – mir ist recht flau.“
Da tönts im ganzen Kreis:
„Das machst du uns nicht weiß.
Du bist bloß krank aus Angst vor deiner Frau. Siehste woll.“

2.
's ist ein Kadett zum Essen eingeladen.
Er ißt drauf los und denkt: Das kann nichts schaden!
Zum Schluss reicht man Zigarren hinter her –
und grad die allerstärkste, die kriegt er.
Er hat noch nie geraucht in seinem Leben.
Beim ersten Zug schon musst er sich – ergeben.
Er dacht: Das werd'n die letzten Züge sein!
Schnell stand er auf – da rief man hinterdrein:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Er aber macht sich schleunigst aus dem Saal.
Dann kam er wieder rein –
er sah erleichtert drein –
und dann bestellt er sich's Menü nochmal. Siehste woll.

3.
Ein Brautpaar ist im Varieté gesessen.
Was sie dort sah'n, das hab'n sie bald vergessen
Sie hab'n sich fürs Programm nicht int'ressiert
und hab'n sich trotzdem herrlich amüsiert.
Zum Schluss zeigt man den Kinomatographen –
da stand sie auf und sagte: „Ich geh' schlafen –
komm bringe mich nach Hause, lieber Schatz.“
Da sagte er und drückt sie auf den Platz:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Du siehst, die beste Nummer kommt zum Schluss.
Jetzt blickste an die Wand,
dann drückste mir die Hand –
und ist es dunkel, kriegste einen Kuss. Siehste woll.“

4.
Es sagt ein Geck zur Frau von einem andern:
„Mit Ihnen möcht ich gern durchs Leben wandern.
Für dich, Geliebte, schlägt mein junges Herz.
Für dich ertrüg ich mutig jeden Schmerz.“
Da, in dem Augenblick, erschien der Gatte,
der das gehört, was der gesprochen hatte.
Nun wollt' der mut'ge Jüngeling entflieh'n.
Jedoch der Gatte sprach und schlug auf ihn:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.
Hier, Jüngling, nimm den Lohn für deinen Scherz.
(Pantomime des Ohrfeigengebens)
Nun, bitte, nicht geklagt!
Du hast ja selbst gesagt,
für meine Frau als trägst du jeden Schmerz. Siehste woll.“

5.
Es sind die sozialen Demokraten
im Reichstag leider oft nicht gut beraten.
Sie sind zu kleinlich – streiten sich herum.
Dadurch verlor'n Sie das Präsidium.
Beim Kaiser hoch – ich sah's schon ein'ge Male –
da gehen sie alle vorher aus dem Saale –
das amüsiert die andern Herren sehr –
Sie lachen laut und rufen hinterher:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“ –
Sie stehn nicht auf beim Hoch – das tut mir leid.
Sonst sind Sie jederzeit
zum „Aufstand“ gern bereit;
auch diesen „Aufstand“ lern' Sie mit der Zeit. Siehste woll.

6.
Ein junges Pärchen sitzt beim Hochzeitsfeste.
In stiller Sie, Ihr lauter sind die Gäste.
Man lässt die beiden Leben und Mann trinkt
aufs Wohl des Vogels, der die Kinder bringt.
Die beiden wär'n am liebsten ganz alleine.
Drum schleichen sie sich abends raus um neune.
Doch eh noch an der Tür das junge Paar,
hat man's bemerkt – nun sang die ganze Schar:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Jedoch das junge Pärchen blieb nicht stehn.
Er sagte leis zu ihr:
„'s wird zwar noch schöner hier –
jedoch am schönsten wird es, wenn wir gehn. Siehste woll.“

7.
Herr Roeren hat das Parlament verlassen.
Die neue Richtung wollte ihm nicht passen.
Zu besserem verwendet er die Zeit.
Er kämpft mit Eifer für die Sittlichkeit
vor kurzem führt man ihn in ein Theater,
da trat 'ne Dame auf – gerechter Vater! –
Wahrheit bekleidet nur als Salome –
schnell wollt' er flieh'n – da sang die holde Fee:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Doch Roeren sagte barsch: „Ich muss jetzt gehn.
Denn erstens darf's nicht sein,
und zweitens ist's nicht fein,
und drittens hab ich sowas schon geseh'n. Siehste woll.“

8.
Bei Freund konnt' kürzlich sich vor Schmerz nicht fassen.
Sein falsches Weibchen hatte ihn verlassen –
mit einem andern floh sie aus dem Haus.
Nun war auch er ganz aus dem Häuschen draus.
Er sprach: „Das werd' ich niemals überleben!“
Hat heimlich in sein Zimmer sich begeben.
Er nahm 'nen Strick, macht eine Schlinge rein –
ich kam hinzu und sagte: „Lass das sein! (Nach oben zeigend)
Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.
's gibt so viele schöne Mädchen fern und nah.
Brauchst dich nur umzuseh'n –
für eine kriegste zehn –
soviel wie du brauchst, sind noch immer da. Siehste woll."

9.
Die Mutter sagt zum künft'gen Schwiegersohne:
„Ein Musterweib bekomm'n Sie zweifelsohne“.
Drum wollt er kürzlich mittags zu ihr gehn,
um mal das „Musterweib“ im Haus zu seh'n.
Sie war gerade bei der Toilette –
die schönsten Sachen lagen auf dem Bette –
der Busen hier – die Zöpfe lagen da.
Er wollte flieh'n – da sagte die Mama:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Sie wird ja jetzt erst schön.
Sie macht sich alles an, was ihr gehört.“
Doch er sprach: „Bleibt vom Leib
mir mit dem Musterweib.
Jetzt steht sie da wie'n Muster ohne Wert. Siehste woll.“

10.
In Preußen wechseln häufig die Minister.
Ach immer länger noch wird das Register.
Kennt einer gut in seinem Amt sich aus,
dann liest er, er sei krank – da muss er raus.
Dann kommt der Kanzler, drückt ihm beide Hände
und sagt: „Ich ahnte nichts von ihrem Ende –“
er kondolliert ihm zu dem Missgeschick
und sagt zu ihm mit unschuldsvollem Blick:
„Warum woll'n Sie denn schon gehn?
Es wird ja jetzt erst schön.“
Der aber denkt: „Auch dir wie bei die Ruh'!
Du gehst nicht mit der Zeit,
drum gehst du mit der Zeit.
Und dann komm ich und mach' es so wie du. Siehste woll.“

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